Entdeckungen Norwegen

Zu Besuch bei den Papageitauchern

Text und Fotos: Nicole Kathrina Schober

Papageitaucher leben aus geografischer Sicht auf dem europäischen Kontinent – zumindest größtenteils. Ungefähr 90 % bevorzugen Norwegen, Island, das Vereinigte Königreich und Irland als Lebensraum. Doch es gibt nur wenige Orte, an denen man sie aus nächster Nähe beobachten kann. Einer davon ist die Insel Runde in Norwegen, 8 Autostunden von Oslo entfernt.

Die Vogelinsel Runde


Runde liegt im Europäischen Nordmeer, an der westnorwegischen Küste im Fylke Møre og Romsdal. Die Insel ist gerade einmal 6,5 Quadratkilometer groß und mit dem Festland über eine Brücke verbunden. Sie kann daher unkompliziert mit dem Auto erreicht werden. Ungefähr 150 Einwohner zählt das Fleckchen. Bei der Recherche fällt auf, dass die Anzahl der zur Brutzeit auf Runde lebenden Seevögel von Artikel zu Artikel abweicht. Feststeht jedoch, dass sie um ein zig hundertfaches größer ist als die Zahl der menschlichen Einwohner. Über 300 Vogelarten leben nachgewiesen auf Runde, wovon rund 80 regelmäßig dort brüten. Eine von ihnen ist der Papageitaucher. Von ungefähr Mitte April bis Anfang August ziehen die Vögel ihren Nachwuchs auf der Insel groß. Die sicherste Zeit, bei einer Wanderung mit einem unmittelbaren Blick auf die Tiere belohnt zu werden, sind die Monate Mai und Juni. In diesem Zeitraum halten sich die Vögel hoch über dem Meer auf Klippen auf. Der Vogelfelsen Lundeura ist eine davon.

Wanderung zum Vogelfelsen Lundeura


Wer gerne campt, für den ist der Campingplatz Goksøyr ein idealer Ausgangspunkt. Es ist der kürzeste Weg zu dem Vogelfelsen. Der teilweise direkt am Meer liegende Campingplatz ist gut besucht und eine Reservierung nicht möglich. Es empfiehlt sich daher, früh anzureisen, um einen der begehrten Plätze zu ergattern. Alternativ liegt unbedeutend entfernt ein Parkplatz. Da Runde zur Brutsaison sehr beliebt ist, füllt sich allerdings auch dieser im Handumdrehen. Die Gehzeit ab Goksøyr beträgt für Hin- und Rückweg insgesamt 2 bis 3 Stunden. Je nachdem, wie schnell man unterwegs ist. Die Abendstunde um 19 Uhr herum ist der beste Zeitpunkt, um zu der Wanderung aufzubrechen. Erst dann kommen die Vögel in großen Schwärmen vom Meer zurück zu ihren Brutplätzen. Zur Sommersonnenwende begleitet die Sonne den Weg auf Runde bis kurz vor Mitternacht. Daher bleibt genügend Zeit, um die Tiere bei Tageslicht zu beobachten und mit ausreichend Licht zu fotografieren. Auf dem ersten Abschnitt werden die anfallenden Höhenmeter bewerkstelligt. Der Weg ist gut begehbar, festes Schuhwerk jedoch ratsam, da er teilweise steil und uneben ist. In der Zeit vom 15. März bis zum 31. August stehen einige Gebiete der Insel unter Naturschutz und dürfen nicht betreten werden. Wanderwege sind davon nicht betroffen und auch die Aussichtspunkte bieten weiterhin großzügige Möglichkeiten. Absperrungen sollten daher unbedingt respektiert werden, um die Tiere zu Gast in ihrem Lebensraum so wenig wie möglich zu stören. Oben angekommen, eröffnet sich ein atemberaubender Blick auf das umliegende Land und das Meer. Da es im Juni schon recht warm sein kann und die Mitternachtssonne für gerade einmal 4,5 Stunden unter dem Horizont verschwindet, bietet es sich an, ein Picknick mitzunehmen und im Moment zu verweilen.

Papageitaucher – viel mehr als Clowns der Meere


Zuvor sollte man sich jedoch die eindrucksvolle Heimkehr der Vögel nicht entgehen lassen. Aufgrund ihrer farbenfrohen Zeichnungen nennt man sie auch Clowns der Meere. Mit einer Körpergröße von rund 30 Zentimetern und einem Gewicht, das ungefähr 4 Tafeln Schokoladen entspricht, sind Papageitaucher zierlich und kleiner als so manche Taubenart. Doch die Vögel leisten Großes. Sie können in eine Tiefe von bis zu 60 Metern tauchen. Unter Wasser steuern sie mit ausgestreckten Flügeln, während sie ihre Füße als Ruder nutzen. Außerdem zeichnet sie ihre Treue aus. Einmal gepaart, bleiben sie ein Leben lang zusammen. Und auch in ihre unterirdische Bruthöhle kehren sie für die folgenden Paarungszeiten zurück, um jeweils ein einziges Ei zu legen. Selten wird ein zweites produziert, wenn das erste früh in der Saison verloren geht.
Das Küken schlüpft nach rund 6 Wochen. Die Eltern fliegen dann abwechselnd aus, um Fisch zu fangen. Im Gegensatz zu vielen anderen Seevögeln bringen sie diesen als Ganzes und unverarbeitet zurück. Nach weiteren 6 bis 7 Wochen werden die Jungtiere flügge. Papageitaucher werden in freier Wildbahn rund 20 Jahre alt – so wie Kaiserpinguine. Doch im Gegensatz zu ihnen können sie fliegen und das sogar ausgezeichnet. Auch wenn ihre Flügel recht kurz sind, erreichen sie Fluggeschwindigkeiten von nahezu 90 Kilometer pro Stunde. Sogar im Flug geben die Vögel nur kaum wahrnehmbare Laute von sich. Daher bietet sich eine recht geräuschlose Kulisse, wenn die Schwärme ihr Abendquartier beziehen. Es ist der Zeitpunkt, zu dem sich viele Fotografen auf dem Vogelfelsen sammeln. Gegenseitige Rücksichtnahme und ein gebührender Abstand zu den Wildvögeln gehören zur Etikette. Manchmal kommen die kleinen Akrobaten jedoch von ganz allein direkt vor die Linse geflogen.

Abstecher zum Runde Fyr, einem der ältesten Leuchttürme Norwegens


Wer gerne wandert und die spätabendliche Sonne noch etwas länger genießen möchte, der sollte sich einen Abstecher zum Runde Fyr nicht entgehen lassen. Er erweitert die Gehzeit um insgesamt etwa 1 Stunde. In Betrieb seit 1767, ist er einer der ältesten Leuchttürme Norwegens. Einige Jahrzehnte zuvor geriet ein niederländisches Handelsschiff in einen Sturm und zerschellte an den Klippen von Runde. Das Schiff hatte eine beträchtliche Menge an Gold- und Silbermünzen geladen. Da diese bei dem Unglück auf Grund gingen, wurde die Insel als Schatzinsel bekannt. Seit einigen Jahren steht der Leuchtturm mit den zugehörigen Wirtschaftsgebäuden unter Schutz. Über den norwegischen Wanderverein DNT, der das Denkmal als Übernachtungsmöglichkeit betreibt, bekommt man die Gelegenheit, eine Nacht an diesem spektakulären und geschichtsträchtigen Ort zu verbringen.

Über den Autor

Nicole Katharina Schober

Nicole Katharina Schober ist eine freie Fotografin aus Lüneburg, mit einem Fokus auf die wilde und ungezähmte Schönheit des Nordens.
Jede freie Minute zieht es sie mit der Kamera nach Schweden, Norwegen, Finnland und Island.
Am liebsten unternimmt sie mehrtägige Wanderungen, um in den Momenten zu verweilen, die sie unterwegs
entdeckt.
Unterwegs zu sein bedeutet für sie, der Welt und ihren Wundern mit offenen Augen zu begegnen.
Die Fotografie bietet ihr dabei die Möglichkeit, diese besonderen Momente einzufangen und über den Augenblick hinaus zu bewahren.

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