Sie kommt unerwartet. Spaziert man vom Trelleborger Hafen aus die Bryggaregatan stadteinwärts entlang, kommt man an recht unspektakulären Wohnhäusern in rotem und beigem Ziegel vorbei. Dann treten die Häuser linker Hand plötzlich zurück und ein mit Gras bewachsener Wall erscheint. Auf der Oberseite eine lange Reihe mit Zinnen. Offensichtlich eine Burg, aber sie wirkt anders als Burgen, die man gemeinhin kennt. Unscheinbar. Dabei befindet sich hier inmitten von Trelleborg im äußersten Süden Schwedens ein echtes Unikat: eine Burg aus der Wikingerzeit, eine Trelleborg.
Text © Johannes Möhler
Titelbild © Visit Trelleborg
Lange Zeit gab der Ortsname der Stadt Rätsel auf – bis ins Jahr 1988. Da entdeckten Archäologen Überreste einer alten Ringburg aus der Wikingerzeit. Die Forschungen ergaben, dass die Burg einmal 140 Meter im Durchmesser maß. Bis dahin kannte man solche Burgen aus Dänemark, aber nicht aus Südschweden. Es war eine „Trelleborg“, von der die Stadt ihren Namen bekommen hatte. Woher sich dieses Wort ableitet, ist nicht ganz geklärt. Entweder von „treller“, das waren gespaltene Balken, mit denen diese Burgen errichtet wurden. Oder das Wort „träl“ (schwedisch für Sklave) steckt im Namen. Dann wäre es eine Burg, die von Sklaven errichtet wurde oder wo Sklaven gehandelt wurden.
Eine Burg und das Leben in der Wikingerzeit erkunden
An exakt der Stelle, wo die historische Anlage gefunden wurde, begann man, die Trelleborg zu rekonstruieren. Seit 1995 steht sie wieder mit Wällen, mächtigen Holzpalisaden und einem Tor da. Zwar ist dies nur ein Viertel der ursprünglichen Burg, aber das genügt, um einen bleibenden Eindruck zu erhalten, wie diese Ringburg aus der Wikingerzeit einmal ausgesehen haben muss.
Ende des 10. Jahrhunderts wurde sie errichtet, entweder vom dänischen König Harald Blauzahn oder von dessen Nachfolger Sven Gabelbart. Beide Könige begaben sich hin und wieder auf „viking“, also auf Beute- und Eroberungszug. Sie waren daher wirkliche Wikinger.
Die meisten Bewohner des Nordens dieser Zeit hätten sich aber wohl nie als Wikinger bezeichnet. Sie waren Bauern, Handwerker oder Händler, aber keine Krieger, die auf Beute aus waren. Und die Wikinger trugen natürlich auch keine Helme mit Hörnern. Es ranken sich viele Mythen, Legenden und auch falsche Informationen um die Wikinger. Vielleicht sind sie gerade deswegen so spannend und faszinierend.
Buntes Treiben beim Kampf um Trelleborg
In Trelleborg kann man sich auf die Spuren der Menschen während der Wikingerzeit machen. Neben der beeindruckenden Burg ist hier auch ein Langhaus nachgebaut, in dem man ein gutes Gefühl dafür bekommt, wie die Wikinger lebten, wie sie schliefen, welche Kleidung sie trugen. Noch mehr erfährt man über die Zeit vor 1000 Jahren bei einer geführten Tour über das Gelände oder im Trelleborg-Museum mit Café. Beeindruckend ist die Dauerausstellung „Borgen vid havet“ („Die Burg am Meer“), die sehr anschaulich und künstlerisch spannend von der Zeit erzählt, in der die Originalburg stand.
Diese Zeit wird zu neuem Leben erweckt während des „Slaget om Trelleborg“, der Schlacht um Trelleborg. Vom 5. bis zum 7. Juli 2024 strahlt die Burg im Glanz der Wikingerzeit. Markthändler bieten ihre Waren feil, Handwerker zeigen altes Handwerk und beim Wikingerscharmützel geht es zwar nicht blutig, aber dennoch lautstark und intensiv zu.
Abtauchen auf dem Schnorchelpfad
Eine ganz andere Seite zeigt Trelleborg an der Küste, wo sich mehrere herrliche Sandstrände aneinanderreihen. Egal, in welcher Jahreszeit man hier ist und sich den Wind und die nach Salz schmeckende Luft um die Nase wehen lässt, am Strand kommt man schnell zur Ruhe. Der Horizont ist unendlich weit, mit regelmäßigem Rauschen rollen die Wellen an Land, Möwen kreischen. Durchatmen. Genießen.
An die Strände gelangt man natürlich mit dem Auto, entspannter und schöner ist es aber mit dem Rad. Schwedens Süden ist Radland. Der Sydkustleden, ein Fernradweg entlang der Südküste, führt durch Trelleborg. Auf ihm kann man westwärts radeln. Dann kommt man zum Skåre Strand, wo man auf einem unterseeischen Schnorchelpfad die Welt unter Wasser entdecken kann. Schlägt man ihn Richtung Osten ein, radelt man an Smygehuk, Schwedens südlichstem Punkt, vorbei und gelangt anschließend nach Beddinge Strand, wo ein traumhaft schöner Sandstrand vom Baden einlädt.
Einmalig: im roten London-Doppeldeckerbus an Schwedens Südküste entlang
Keine Lust auf Rad? Eine ziemlich urige Alternative, um nach Smygehuk zu kommen, ist der „Palmbussen“. Das ist ein roter London-Doppeldeckerbus, der im Juli und Anfang August von Trelleborg über den Strand Dalabadet bis zum südlichsten Punkt fährt. Und das sogar gratis. Smygehuk lockt mit mehreren gemütlichen Cafés, einer Fischräucherei, Kunstausstellungen und einem Leuchtturm. Hier lohnt es sich einzukehren oder vielleicht sogar eine Nacht im Haus des Leuchtturmwärters zu bleiben.
Wer mit der Fähre nach Trelleborg fährt, der sollte also nicht gleich das Gaspedal durchdrücken und weiterfahren. Denn gleich jenseits des Hafens warten Wikinger, Strände, Ruhe und gute Restaurants – und damit viel, was Schweden ausmacht.
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