Entdeckungen Fahrrad Schweden

Sonne, Meer und (Gegen-)Wind – mit dem Rad auf dem Kattegattleden

Schwedens Küsten bieten einiges – von weit gezogenen Sandstränden bis hin zu Felsen und hohen Klippen ist alles dabei. Mit dem Fahrrad kann man sie in all ihren Facetten erfahren und erkunden. Es gibt unzählige Radwege entlang den Küsten. Besonders schön ist der Kattegattleden, der von Helsingborg nach Göteborg führt. 2018 wurde er sogar zum Radweg des Jahres in Europa gekürt. Johannes Möhler ist ihn gefahren.

Start in Helsingborg

Nach nur wenigen hundert Metern ist der Radweg nicht mehr zu finden. Ich stehe in Helsingborg und möchte gerade auf die Strandpromenade einbiegen. Doch die ist gesperrt, denn hunderte Menschen feiern an unzähligen Buden und Ständen, mit Musik, Bier und Hotdogs. Das jährlich Anfang August stattfindende Hx-Festival hat das Ufer in eine Partymeile verwandelt. Ich steige also ab, schiebe und schlängele mich mit dem schwer bepackten Fahrrad durch die Massen und genieße den Moment. Zwar komme ich gleich zu Beginn der Tour deutlich langsamer voran als geplant. Aber es ist ein Vorgeschmack darauf, wie die Schweden den Sommer am Meer feiern. 

Helsingborg im südschwedischen Skåne ist der Startpunkt auf meinem Weg nach Göteborg. Laut Plan trennen mich 390 Kilometer von meinem Ziel. Aufgrund verschiedener Abstecher werden am Schluss noch ein paar Kilometer hinzugekommen sein. Vier Tage auf dem Rad liegen vor mir. Vier Tage mit viel Meer, Wind (der gefühlt immer von vorne kommt) und ganz vielen Eindrücken, die bleiben.

Schlösser, Strände und Cafés

Nachdem ich das Partygewühl hinter mir gelassen habe, kann ich mich wieder aufs Rad schwingen. Es geht los! Nach wenigen Kilometern radle ich am Schloss Sofiero vorbei. Damit ich meine Fahrt nicht schon nach einer halben Stunde unterbrechen muss, bin ich bereits am Vortag zum früheren königlichen Sommersitz gefahren, um mir das Schloss und vor allem die traumhafte Parkanlage in aller Ruhe anzuschauen. Die Rhododendren, für die der Schlosspark berühmt ist, sind zwar schon verblüht, dennoch kann man hier Stunden verbringen und auf den verwunschenen Pfaden wandeln. 

Schloss Sofiero

Das ist ein Problem, das mich auf der gesamten Tour begleiten wird: Es gibt zu viele Orte, an denen ich nur zu gerne viel mehr Zeit verbringen möchte. Strände, Schlösser, gemütliche Städte, noch gemütlichere Cafés, Felsen am Meer … Es könnte daher Sinn machen, sich etwas mehr Zeit für den gesamten Radweg zu lassen. Die offizielle Webseite zum Kattegattleden schlägt acht Etappen zwischen 22 und 72 Kilometern Länge vor. Mein Plan bestand ursprünglich aus fünf Tagen: von Helsingborg nach Båstad, weiter nach Ugglarp, von dort bis Varberg, am vorletzten Tag bis nach Kungsbacka und schlussendlich noch eine kürzere Etappe bis nach Göteborg. Da am letzten Tag aber heftige Unwetter und Dauerregen vorhergesagt sind, muss ich die beiden letzten Etappen zu einer zusammenziehen. Letztlich bin ich also nur vier Tage unterwegs und fahre dabei zwischen 90 und 110 Kilometern täglich.

Der Kattegattleden bietet viele Möglichkeiten für Pausen – fast zu viele.

Auch wenn ich dadurch viele Stunden an jedem Tag im Sattel sitze, bleibt trotzdem Zeit, die vielen Orte entlang des Weges zu genießen und einiges zu besichtigen. Gleich am ersten Tag mache ich einen Abstecher bis zur äußersten Spitze der Halbinsel Kullaberg. Die heftigen Anstiege, die man auf dem ansonsten ziemlich flachen Weg nicht vermuten würde, werden mit einem wunderschönen Ausblick und einem Spaziergang zwischen den Klippen belohnt. 

Abstecher nach Kullaberg

Der zweite Tag führt mich nach Halmstad, wo ich mir Zeit für das Schloss aus der dänischen Zeit und einen kleinen Bummel durch die Stadt nehme.

Schloss in Halmstad

Außerdem verlasse den Kattegattleden kurz, um an Schwedens wohl berühmtesten Strand Tylösand zu gelangen. 

Unterwegs auf dem Kattegattleden

Falkenberg, das ich am dritten Tag erreiche, wartet mit der mächtigen Zollbrücke und hübschen Holzhäusern aus dem 18. Jahrhundert auf. Gegen Abend rolle ich direkt an der Küste entlang nach Varberg ein, wo die Besichtigung der Festung, in der man der Spur von früheren Gefangenen und der Moorleiche Bockstensmannen nachspüren kann, nahezu Pflicht ist.

Holzhäuser in Falkenberg

Weiter nördlich bewundere ich während meines vierten Fahrtages das Tjolöholm Schloss, das mich unerwartet in einen Rosamunde Pilcher-Film versetzt, woraufhin ich nach Fjärås Bräcka radle, wo man sich auf eine Zeitreise in die schwedische Frühzeit machen kann. 

Die Küste erfahren

Neben all diesen Sehenswürdigkeiten, die am Wegrand liegen oder über kurze Abstecher zu erreichen sind, verzaubern mich auf dem Weg Richtung Göteborg aber vor allem zwei Dinge: Das eine ist das Meer beziehungsweise die Küste. Zwar führt der Weg nicht komplett an der Küste entlang, aber trotzdem ist das Meer immer präsent.

Immer wieder Strand -Mellbystrand

Immer wieder trägt der Wind den salzigen Geruch herbei. Möwen schreien. Über viele Kilometer radle ich direkt am Meer oder zumindest mit der See im Blick. Die Küste verändert sich, je weiter ich nach Norden komme. Anfangs fahre ich an kilometerlangen, zauberhaften Stränden vorbei. Es ist schwer, nicht den ganzen Tag hier zu verbummeln. Herrlich ist vor allem der Strand Lagaoset, etwas versteckt und nicht ganz leicht zu finden etwas nördlich des populären Mellbystrand. Hier gibt es nichts – keine Kioske, keine Infrastruktur, nur hohe Dünen, feinen Sand und vielleicht zehn Menschen, die sich den Strand teilen. Als ich wenig später am völlig überfüllten Strand von Tylösand ein Eis esse, rätsele ich, weshalb so viele Schweden hierherfahren, um zu baden, wo es doch andere, völlig einsame Traumstrände ganz in der Nähe gibt.

Tylösand

Je weiter ich nach Norden komme, desto felsiger wird die Küste. Allmählich kündigt sich die faszinierende Schärenwelt an, die Göteborg und Bohuslän so einzigartig machen. Es wird rauer, aber nicht weniger schön. 

Felsige Küste kurz vor Göteborg

Strampeln gegen Zimtschnecken-Kalorien

Neben dem Meer begeistern mich die Cafés. Wahrscheinlich habe ich trotz der vielen verbrannten Kalorien kein Gramm abgenommen. Zu viele Kuchen und Zimtschnecken finden unterwegs den Weg in den Magen. Aber es ist ja auch beinahe unmöglich, all diese wunderschönen und oftmals unglaublich urig-gemütlichen Cafés einfach so links liegen zu lassen.

Eines von vielen gemütlichen Cafés

Sehr empfehlen kann ich Albertsgårdens Kaffestuga etwas südlich von Ängelholm und das Café Särdals kvarn bei Särdal, wo man im Schatten einer alten Mühle im Grünen die Zeit und den wunden Hintern vergessen kann. An vielen weiteren schönen Cafés bin ich wahrscheinlich einfach vorbeigeradelt. Wer mit offenen Augen und einem guten Riecher für Zimtschnecken den Radweg fährt, wird mit Sicherheit noch viele weitere schöne Cafés entdecken. 

Abendstimmung am Meer

Am Abend des ersten Tages komme ich am Campingplatz in Båstad an. Ich bekomme problemlos einen Platz, dusche und koche eine Kleinigkeit in der gut ausgestatten Küche des Campingplatzes. Auch die anderen Nächte verbringe ich im Zelt. Zu campen hat zwar den Nachteil, dass das Reisegepäck mit Zelt, Schlafsack, Isomatte und Campinggeschirr etwas umfassender ausfällt, jedoch muss ich nirgends vorbuchen und bleibe so flexibel. Wer allerdings lieber ein bequemes Bett haben will, findet entlang des Radwegs unzählige Unterkünfte. Da die schwedische Westküste aber ein beliebtes Reiseziel ist, insbesondere auch für die Schweden selbst, kann es in der Sommerzeit sinnvoll sein, die Unterkünfte vorzubuchen.

Ein Radweg mit vielen Vorzügen

An jedem Morgen begrüßen mich die Sonne und ein strahlend blauer Himmel. Sie werden zu meinen treuen Begleitern. Nur am letzten geplanten Tag wollen sie sich verabschieden und Regenwolken Platz machen. Von Varberg fahre ich also am vierten Tag durch bis nach Göteborg. Ein letzter Tag mit Meer, Wind und vielen Eindrücken, ehe ich am frühen Abend am Göteborger Bahnhof ankomme.

Am Ziel in Göteborg angekommen

Es ist geschafft. Hier endet der Kattegattleden (beziehungsweise er beginnt hier für diejenigen, die ihn in die andere Richtung befahren). 

Irgendwo unterwegs

Auch das ist ein Pluspunkt dieses Radwegs: In Göteborg könnte ich direkt in den Zug steigen und zurück nach Helsingborg oder nach Deutschland fahren. Ich könnte auch zum Fähranleger der Stenaline radeln und die Heimfahrt mit der Fähre nach Kiel antreten. Sowohl der Start- als auch der Zielort sind ideal mit dem Zug (oder mit der Fähre) zu erreichen, sodass man auf das Auto komplett verzichten kann.

Der Kattegattleden ist nicht nur deswegen ein sehr empfehlenswerter Radweg, sondern vor allem, weil die Route traumhaft schön ist und die schwedische Westküste zwischen Skåne und Göteborg ganz intensiv erlebt und erfahren werden kann.

Über den Autor

Elchkuss

Zwei Jahre hat Johannes in Schweden gelebt, dort studiert, geforscht und als Lehrer gearbeitet. Auch wenn das schon eine Weile her ist, zieht es ihn immer wieder in seine zweite Heimat zurück. Aber nicht nur Schweden, der ganze Norden hat ihn in seinen Bann geschlagen. Auf „Elchkuss“ schreibt er über Schweden und alles, was mit dem Land, den Leuten und der Sprache zu tun hat.

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