Wer an die finnische Seenplatte denkt, hat typischerweise Wasser, Wald und Inseln vor dem inneren Auge. Zurecht. Doch da ist noch viel mehr, was es zu erkunden und vor allem zu probieren lohnt: Wir haben uns aufgemacht zu einer kulinarischen Reise ins südöstliche Saimaa-Gebiet. Zu Bison-Burgern und Gerstenbrei-Piroggen, zu Torte auf dem Lande, Kaffeespezialitäten in der Stadt und zu „slow food satt” mit über tausendjähriger Tradition.
Obwohl er es seit 18 Jahren täglich tut, erkenne ich den Stolz fürs Besondere in Esko Hietarantas Augen, als er seine heutigen Gäste begrüßt, eine schwere, dunkle Holzform aus dem steinernen Ofen hievt und beginnt, mit langstieligem Besteck zu hantieren. Esko betreibt das Restaurant Säräpirtti im finnischen Lemi. Hier steht exakt und nur ein Gericht auf der Speisekarte: Särä – Lammfleisch in Bioqualität, das zunächst vier Tage lang in Salz zieht und am fünften Tag nach rund neun Stunden butterzart aus dem mit Birkenholz beheizten Ofen kommt. Serviert wird Särä mit Kartoffeln und Sauerteigbrot. Das wiederum wird nach dem Rezept von Eskos Urgroßmutter gebacken.
Esskultur mit über tausendjähriger Tradition
Die Tradition, Särä genauso herzustellen, wie Esko und sein Team es tun, ist weit über tausend Jahre alt. Und das Gericht überzeugt bis heute: 35.000 Gäste besuchen das Restaurant Säräpirtti pro Jahr. Sie alle kommen vorangemeldet, anders gibt’s keinen Platz bei Esko. Dennoch ist’s gemütlich, dennoch nimmt er sich zwischen dem Servieren die Zeit, mit seinen Gästen zu plaudern, mir Särä zu erklären und im nächsten Moment scherzend zum Nachbartisch zu schreiten. Hier sind der ersten Teller leer und es wird nachgefüllt: „Wir sagen hier, dass die ersten drei Portionen pro Person die Vorspeise sind; erst dann geht’s an den Hauptgang”, weiht mich Esko ein. Gegessen wird, bis alle satt sind. Ich verstehe: Hierher kommt man am besten gut vorbereitet, mit leerem Magen also. Denn das Fleisch ist einfach lecker. Wie gut, dass ich davon in getrockneter Form noch etwas mit nach Hause nehmen kann!
Saimaa-Genuss für zuhause gibt’s auch bei Arttu Muukkonen in Lappeenrantaa: Der junge Mann, dem man vom ersten Moment an anmerkt, dass er einer ist, der anpackt, hat 2016 eine Mikrorösterei eröffnet. In einer alten Lagerhalle, nahe am Wasser. Zusammen mit drei Freunden hat er das Unternehmen gegründet. „Wir waren damals alle normale Kaffeetrinker”, erzählt Arttu. „Es war schwierig, qualitativ hochwertigen Kaffee und etwas Besonderes zu bekommen. Und das wollten wir ändern.” Heute wandert ein „Flat White” nach dem anderen über den Tresen. Im Hintergrund steht prominent die hohe, schwarze Röstmaschine und Jutesäcke mit grün-brauner Beschriftung lagern daneben.
Finnlands Kaffee-Metropole
„Wir beziehen unseren Kaffee von kleinen Produzenten”, erklärt Arttu und spricht von der Wichtigkeit, langfristige Beziehungen zu den Farmern vor Ort aufzubauen, und davon, dass er „einfach einen Ort schaffen wollte, der internationale Atmosphäre und Qualität nach Lappeenranta bringt”. Das ist ihm mit „Lehmus Roastery” gelungen. Mit dem Kaffee, der selbst am heißesten Sommertag echter Genuss ist. Mit Kuchen, die aus weißer Schokolade bestehen und so hübsch mit blau-gelben Blümchen dekoriert sind, dass man sie kaum essen mag. Dazu mit einer Auswahl an Kaffee für zuhause, der mich schmunzeln lässt: Die acht Basissorten an Kaffee, die Arttu und sein Team neben weiteren jahreszeitlichen Sonder- und Highend-Röstungen anbieten, tragen Namen von Vierteln und Sehenswürdigkeiten in Lappeenranta. Arttu findet’s witzig: „Für Leute aus Helsinki ist das exotisch.” Gleichzeitig vermittelt sein Marketingansatz ein Gefühl, für das der junge Finne sichtlich brennt: „Lappeenranta ist das Monaco von Finnland. Wir haben hier so viele Parallelen – und eine echte Metropole!”
Burger-Stop und der Wunsch, zu bleiben
Für mich geht’s aus der Metropole raus auf’s Land. Auf dem Weg zu „meiner” Campingplatzidylle in Uukuniemi stoppe ich bei Terhi Torikka. In ihrem Café-Restaurant Iloinen Pässi gibt’s Bison-Burger, die in ganz Finnland bekannt sind. Während ich auf mein Essen warte, stöbere ich im angegliederten Laden durch Marmelade, Mehl und Kiefernsirup. Terhi legt großen Wert auf Regionalität. Auch das Fleisch für die Burger kommt aus ihrer direkten Nachbarschaft hier in Parikkala und die Brötchen für die Burger aus einer kleinen Bäckerei.
Seit rund zehn Jahren betreibt die gebürtige Westfinnin Iloinen Pässi zusammen mit ihrer Familie. Ihre Intention war es von Anfang an, kleinere Produzenten aus der Region zu fördern. Das Konzept geht auf: Viele ihrer Gäste kommen zunächst zufällig vorbei und dann immer wieder. Ich kann das gut verstehen: Mein Burger schmeckt, die Pommes sind super lecker und ich könnte gut noch ein Weilchen bleiben …
Ein alter Bahnhof und Karamelltortenglück
Bleiben wollen ist hier in der Saimaa-Region eh so ein großes Thema: Überall ist’s schön. Überall begegnet man mir mit einer Gastfreundschaft, die genauso herzlich wie natürlich rüberkommt. Dabei stelle ich schnell fest: Jeder meiner besuchten Orte weckt in mir das Gefühl, baldmöglichst nochmal wiederkommen zu wollen. So auch Pulsan Asema, ein alter Bahnhof weit draußen – und zugleich an einer bedeutenden Zugstrecke: „Das hier war die Hauptlinie zwischen Helsinki und Sankt Petersburg”, klärt mich Petra Karjalainen auf. zusammen mit ihrem Mann Lasse hat die umtriebige Frau Pulsan Asema zu ihrem Ort gemacht: Mit Ferienhäusern und Sauna, mit Boutique und Stöberladen und einem irrsinnig gemütlichen Café im ehemaligen Bahnhofsgebäude selbst. Hier überrascht sie mich nach einer so herrlich ruhigen Nacht in „meinem” Holzhäuschen mit einem liebevoll angerichteten, sehr üppigen Frühstück und, als wäre das noch nicht genug, mit einem Stück Preiselbeer-Karamelltorte. „Ich weiß, was Du magst”, lächelt sie mich an, als sie mir die Auswahl der Torte abnimmt. Eine der Stärken von Petra, die man schnell erkennt: Sie weiß, was ihre Gäste glücklich macht – mit ihrem Gespür für das richtige Maß an alt und neu, für Klarheit und für Details. Und zu diesen gehört auch, dass mein Morgenkaffee aus Arttus Rösterei kommt. Der Kreis schließt sich, während ich in Petras Garten in der Sonne sitze, entspannt auf satt rote Geranien blicke und sich in mir ein wohliger Gedanke breitmacht: Hier fühle ich mich zuhause. In einer Landschaft, die sprachlos macht. Und inmitten von Menschen, die es gut mit ihren Gästen meinen.
Zimtschnecken und karelische Piroggen
Oftmals ist diese Gastlichkeit mit Essen verbunden, was vielleicht auch daran liegen mag, dass sich in der Region von Finnlands größtem See Kulinariktraditionen aus Ost und West vermischen. Ein Beispiel hierfür sind die karelischen Piroggen. Auch wenn, das erfahre ich auf meiner Reise, das Grundrezept für das kleine herzhafte Backwerk immer gleich ist, schmecken sie für mich doch immer wieder ein wenig anders, je nachdem, wo ich gerade bin. Und dann komme ich zu Virve und Jari Niiranen von Creative Kaiku. Bei den beiden dreht sich alles um das Bewahren von kulturellem Erbe und um den verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur. Zum Beispiel auf geführten Wanderungen und beim Kochen am offenen Feuer. Ich muss heute nicht selbst kochen: Zimtschnecken und Piroggen stehen schon bereit, als ich mich die beiden begrüßen. „Ich backe alles selbst”, sagt Virve, während mir das bereits beim Duft in den niedrigen Holzräumen klar ist. Als ich dann in die erste Pirogge beiße, ist’s um mich geschehen: Das sind mit Abstand die besten karelischen Piroggen, die ich bis hierhin gegessen habe. Natürlich muss ich zwei probieren, denn die einen sind mit Reis gefüllt, die anderen mit Gerste. Virve erklärt: „Die Füllung mit Gerstenbrei ist typisch finnisch.” Ob das der Grund ist, warum es mir heute so besonders gut schmeckt…?
Mehr zur Kulinarik und zu Erlebnismöglichkeiten in der Saimaa-Region um Lappeenranta, Imatra und Parikkala gibt’s unter gosaimaa.com/de.
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Anreise-Tipp:
Mit Finnlines bequem von Travemünde nach Helsinki schippern und dann mit dem Auto in rund 2,5 Stunden bis Lappeenranta weiterfahren!
Text & Bilder: Andrea C. Bayer
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