Eines müssen wir vorweg klar stellen: Wir sind nicht spießig!
OK, wir campen. Ok, ja mit Wohnwagen. Aber und das hebt uns ab, wir fahren nicht immer an die gleiche Stelle. Naja, außer einmal im Jahr, oder zweimal. Es ist verdammt schwer nicht spießig zu sein! Und manchmal ist es auch ein echt beruhigendes Gefühl. Vor allem, wenn die Spießigkeit an so einem tollen Ort wie der kleinen Nordseeinsel Rømø stattfindet. Und hey, kann ein Skandinavienurlauber überhaupt spießig sein?
Immer wieder schön
Da kommen wir auch schon zum nächsten Problem. Wo beginnt eigentlich dieses Skandinavien? Gibt es einen Unterschied zwischen der gefühlten Grenze und der dänischen Staatsgrenze? Seit genau 5 Jahren sind wir dem Skandinavienfieber verfallen, da war unsere erste Schwedentour. Aber was soll ich sagen, seit 2001 fahre ich eigentlich jährlich auf die Insel, seit 2006 fahren wir als Paar. Angefangen hat das Ganze, wie soll es anders sein, mit einem VW-Bus und ordentlich Sturm. Und ja, wir sind immer auf dem gleichen Platz. Warum? Er ist teuer, der Service geht so, er ist groß, zu groß für unseren Geschmack und er ist sogar laut – zumindest zur Saison. Aber was gibt es besseres, als Abends auf der Düne zu sitzen und die Sonne im Meer versinken zu sehen?
Nicht nur Kiten
Aber von vorn! Ich fahre Kite-Buggy und das, obwohl ich 700 Kilometer von eben jenem Strand wohne, an dem das perfekt geht. Warum ich das tue ist eine lange Geschichte, perfekt für einen Lagerfeuerabend am Strand. Ich tue es! Und weil das so ist, liebe ich den Wind. Wer auf Rømø den Wind liebt, der liebt auch Drachen und so kommt eins zu anderen – es ist unser Hotspot.
Deshalb zieht es uns jährlich um Himmelfahrt auf diese kleine Insel und jeder aus der Familie liebt sie aus einem anderen Grund. Das beschreibt diesen Ort auch ganz gut. Schon bei der Anreise legt man jeglichen Stress ab. Die letzten Kilometer führen über den schnurgeraden Damm auf die Insel und steigern die Vorfreude. Die Insel selbst stellt eher eine Mischung aus Museumsdorf, Klein-Skandinavien und Muster-Ferien-Haus-Siedlung dar. Tatsächlich bleiben die meisten Bewohner in all den Jahren eher anonym für uns, man spricht zwar deutsch aber davon nicht allzu viel. Lediglich die Drachenladenbesitzer in Lakolk begrüße ich jährlich mit Freude – könnte aber an ihrem Geschäft liegen und der familieninternen Vereinbarung, dass es jährlich einen neuen Drachen im Sortiment von Team-Schwarz gibt.
Mach doch was du willst!
Ebenso wie der immer gleiche Campingplatz in Lakolk, ist auch unser Programm immer ähnlich. Ich hoffe auf Wind und fahre mit dem Buggy oder dem Mountainboard über den glatten festen Strand, mehr brauche ich in dieser Woche eigentlich nicht. Bevor es losgeht, werden morgendlich die bunten Drachen aufgebaut und in die Luft gelassen. Bevor die Kinder zur Schule gingen, war das Drachenfest am ersten Septemberwochenende auch noch ein fester Termin für uns, nun warten wir, bis der Jüngste aus der Schule raus ist und träumen ein wenig davon. Allerdings ist auf Rømø eigentlich ganzjährig Drachenfest und so staunt man immer über die tollen Gebilde in der Luft. Line dagegen läuft viel durch die wunderbare Natur der Insel, liest am Strand und baut das traditionell täglich wechselnde Strandtier aus Sand. Die Kinder? Toben, buddeln, fangen Krabben, rennen am Strand, baden (Temperatur egal) und beginnen dann wieder von vorn. Als Autofan, da bin ich ehrlich, gibt es noch ein Highlight auf der Insel – den Autostrand. Hier fühlt man sich wieder wie ein Kind. Nimmt man Rücksicht auf andere und die Natur, ist immer noch genug Platz, um im riesigen Sandkasten zu spielen, und das mit dem Auto.
Wenn man uns fragt, was man machen muss auf der Insel und wir mit den bisher geschriebenen Angeboten nicht auf Gegenliebe stoßen, dann erzählen wir natürlich von der Bunkertour. Auch diese unrühmliche Epoche der Geschichte gehört zu der Insel und wird hier auf einer geführten Wanderung wunderbar mit der Schönheit der Natur verknüpft – Lohnt sich! Eine Wanderung durch die großflächige Weide mit den versteckten Spielplätzen ist sogar für die Kinder das Laufen wert. Und wer noch mehr Kultur braucht, findet im Norden der Insel einen alten Zaun aus Walknochen. Wattwandern geht natürlich auch. Soviel Kultur macht hungrig. Wer Fisch mag, bekommt im Hafen von Havneby in Otto & Anni’s Imbiss alles, was gerade frisch aus der Nordsee gefischt wurde, nicht billig aber sehr lecker und das Ganze mit Blick auf die Fischerboote im Hafen. Wir lassen allerdings immer noch etwas Platz – das dänische Eis ist legendär und schmeckt vor allem in der Einkaufsstraße von Lakolk hervorragend. Dummerweise ist dies nur 2 Minuten von unserem Wohnwagen entfernt, die Gefahr der Gewichtszunahme also nicht von der Hand zu weisen.
Typisch Skandinavisch?
Aber kommen wir zurück zur Ausgangsfrage. Wo beginnt Skandinavien?
Diese Frage wird besonders spannend, wenn man am Strand sitzt und nach Sylt hinüber schaut, die deutsche Insel liegt nämlich in Spuckweite und wird regelmäßig mit einer Fähre angefahren. Skandinavien fängt also irgendwo in dem Wasserstreifen zwischen diesen beiden Inseln an. Auch wenn Rømø an sich, für uns nicht diesen typischen skandinavischen Charme versprüht. Mögen muss man sie trotzdem. Und in einem, steht sie dem nördlichen Teil Europas in nichts nach: dem Wetter! Hier gibt es das komplette Programm im Schnelldurchlauf. Von Badewetter Anfang Mai bis zur Sturmflut und Windstärke 10 beim Drachenfest, wir haben hier schon alles erlebt. Und was macht man im Norden bei Mistwetter? Man redet sich eine halbe Stunde ein, dass es kein schlechtes Wetter sondern, nur schlechte Kleidung gibt. Nach dieser halben Stunde sucht man sich dann aber doch ein nettes Café und genießt eine schwedische Fika, das geht auf der ganzen Welt, oder?! Die ganz verzweifelten Familien wählen übrigens bei andauernden Regenfällen, den letzten Laden der Lakolk-Einkaufsstraße. Hier kann man nach Herzenslust Kerzenziehen und dabei die Kleider trocknen… Ist immer wunderbar warm, nur den Duft von warmem Wachs, den muss man schon mögen.
Spätestens auf der Heimfahrt auf dem Damm steht fest, egal wo Skandinavien beginnt, hier müssen wir wieder her.
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