Im Jahr 2019 hat mich das Fahrradfieber gepackt. Seitdem verreise ich jedes Jahr mit meinem knallroten Trekking-Bike. Erstens handelt es sich um eine umweltfreundliche Art des Reisens, zweitens nehme ich die Landschaften wegen der langsamen Fortbewegung viel intensiver wahr als im Auto. Eine Radreise auf dem Kattegatleden stand schon länger auf meiner Bucket List
Im Juli 2022 ist es endlich so weit: Ich nehme mir den 390 Kilometer langen Fernradweg zwischen Göteborg und Helsingborg vor und kombiniere ihn anschließend mit dem Sydkustleden und dem Sydostleden. Dieser Beitrag gewährt einen Einblick in die Sehenswürdigkeiten und Eigenarten der beliebten Radroute.
Nach der Ankunft empfehle ich, zum Hauptbahnhof von Göteborg zu fahren, denn dort beginnt der Kattegatleden offiziell. Alternativ besteht die Möglichkeit, gleich vom Hafen aus nach Süden zu radeln – die roten Wegweiser stechen an der Ausfahrt sofort ins Auge. Gut zu wissen: Schwedische Fernradwege sind durchnummeriert. Da der Kattegatleden im Sommer 2015 als allererster dieser Art eingeweiht wurde, trägt er die Zahl Eins.
Wie komme ich mit dem Fahrrad nach Schweden?
Von Deutschland ist es leicht, zum Startpunkt des Kattegatledens zu gelangen. Nachdem ich mein Fahrrad mit der Bahn nach Kiel transportiert habe, nehme ich am Schwedenkai die Stena-Line-Fähre nach Göteborg. Nach dem schnellen Check-in radele ich ohne Wartezeit an Bord und schippere über Nacht in einer bequemen Kabine gen Norden. Die Überfahrt dauert über zwölf Stunden.
Zuerst Göteborg erkunden
Es lohnt sich aber, eine Nacht in Schwedens zweitgrößter Stadt zu bleiben und die Radreise auf dem Kattegatleden am nächsten Tag zu starten. Wer felsige, nordische Insellandschaften liebt, sollte von Saltholmen einen Bootsausflug in den Göteborger Schärengarten machen, zum Beispiel nach Donsö und Styrsö. Solch eine Tour ist sehr preiswert, weil die Boote zum öffentlichen Nahverkehr Västtrafik gehören.
Für Stadtbesichtigungen auf zwei Rädern gibt es hervorragend ausgebaute Radwege mit Top-Ausschilderungen. Wenn du dich in Göteborg mit dem Fahrrad fortbewegst, pass ein bisschen auf: Die City ist von einem dichten Netz aus Straßenbahnschienen durchzogen. Nachdem ich in einer anderen Stadt mal mit den Fahrradreifen in solch eine Rille gerutscht bin, habe ich davor höchsten Respekt!
Im malerischen alten Stadtteil Haga angekommen, ist es zu Fuß nur noch ein Katzensprung zur Festung Skansen Kronan auf dem Hügel Risåsberget, wo sich Besucher an der tollen Aussicht über die City erfreuen. Göteborg lockt ebenso mit einer pulsierenden Kneipen- und Theaterszene. Und flaniert man über den Prachtboulevard Avenyn, kommt man zur Oper, zum Konzerthaus und zum Kunstmuseum. Sehnt man sich stattdessen nach einer grünen Lunge, ist ein langer Spaziergang im Slottskogen genau das Richtige. Im Wildgehege des Parks stehen die Chancen gut, Elche zu Gesicht zu bekommen.
Kattegatleden: herausfordernde Winde bis Helsingborg
All das habe ich kurz vorher schon bei einem Kurztrip nach Göteborg gesehen. Weil ich ausgerechnet am Fährterminal mit Schmuddelwetter begrüßt werde, lasse ich die Stadt diesmal links liegen und peile geradewegs die 933 Meter lange Hängebrücke Älvsborgsbron an. In der Hafeneinfahrt verbindet sie Göteborg mit dem Industriegebiet auf der Insel Hisingen, unter ihr fließt der Fluss Göta.
Die südlichen Ausläufer von Göteborg dehnen sich kilometerweit aus, so dass der Kattegatleden eine Weile am Rande stärker befahrener Autostraßen verläuft. Das soll in den kommenden Tagen noch öfters der Fall sein – für Menschen, die lieber in stiller Natur Fahrrad fahren, nicht gerade ideal. Trotzdem erhielt die Strecke 2018 die Auszeichnung „Europäischer Fernwanderweg des Jahres“.
Der Autolärm ist auf dem Kattegatleden ebenso herausfordernd wie der kräftige Gegen- und Seitenwind, den vor mir schon andere Blogger auf ihren YouTube-Kanälen beklagt haben. „Kann mir ja nicht passieren“, denke ich und werde eines Besseren belehrt. Stürmische Böen haben in der von Landwirtschaft geprägten Küstenlandschaft freies Feld, um sich auszutoben. Es gibt nur wenige Abschnitte mit schützenden Bäumen.
Strecken-Highlights auf dem Kattegatleden
Das Schärengarten-Panorama im südlichen Umland von Göteborg ist eines meiner persönlichen Highlights auf dem Kattegatleden. Zu meiner Rechten fällt der Blick auf Felseninseln wie aus einem Bilderbuch. Als erstes Etappenziel auf der Radreise durch Südschweden empfiehlt sich das Städtchen Kungsbacka, wo man entspannt über einen Markt flanieren kann – umgeben von heimeligen Cafés und kleinen Läden.
Sobald man die Stadt hinter sich gelassen hat, wird das Radeln zu einer Berg- und Talfahrt. Durch meinen Kopf schwirrt ab und zu der Gedanke, ein Stück mit dem Zug, dem Öresundståg Richtung Kopenhagen, zu überspringen. Aber dann schreit eine Stimme in meinem Kopf: „Fahr weiter! Du bist zu jung für einen Besenwagen!“
Ich höre auf die innere Antreiberin und mache öfters Verschnaufpausen am Strand. So bahne ich mir den Weg zu einer imposanten Sehenswürdigkeit in der Provinz Halland. In Varberg gibt es eine Festung aus dem 13. Jahrhundert, die im 17. Jahrhundert in ein Gefängnis umgewandelt wurde. Noch bis 1931 saßen darin Häftlinge hinter Schloss und Riegel. Rund um die Festungsmauern herrscht im Sommer touristisches Treiben, denn die Sandstrände sind einfach zauberhaft!
Mit Blick auf die schroffe Felsenküste strampele ich durch beschauliche Fischerdörfer weiter nach Falkenberg mit dem farbenfrohen alten Stadtkern Gamla Stan. Das Wahrzeichen der Stadt ist die Zollbrücke (Tollbron), die aus gutem Grund als eine der schönsten Steinbrücken Schwedens gilt.
Südlich von Falkenberg wird die Landschaft wieder hügeliger. Deshalb rate ich zu einem Stopp in einem der gemütlichen Hofcafés oder am Grimsholmen Naturreservat in der Nähe von Steninge. Saftige Wiesen ziehen sich bis zum Strand und natürlich begegnen mir in dieser Idylle auch grasende Kühe.
Bis ich Halmstad erreiche, komme ich an Windmühlen und schmucken weißen Kirchen vorbei. Die Residenzstadt mit einem Schloss aus dem 17. Jahrhundert wirkt im Sommer sehr lebhaft. Sie bietet Shopping-Möglichkeiten, Lokale und Veranstaltungsorte für eine Vielzahl von Events.
Südlich von Halmstad solltest du dir einen Abstecher in das kleine, aber feine Laholm gönnen. Rund um den Marktplatz stehen bunte Häuser aus dem 18. Jahrhundert und aus zahlreichen Ecken lugen Skulpturen wie etwa eine Pippi-Langstrumpf-Figur auf einem Springbrunnen.
Wie im Flug bin ich zurück auf dem Kattegatleden und strampele von Mellbystrand am Wasser nach Båstad. Hier rate ich dringend, in der Nähe des breiten Sandstrands das gastronomische Angebot in Anspruch zu nehmen. Südlich der Stadt fehlen entlang der Radstrecke nämlich Supermärkte und Lokale. Ich habe Glück, dass ich mitten in der Landschaft auf einen prall gefüllten Kirschbaum stoße und mich satt essen kann!
Rund um das wenig spektakuläre Ängelholm laden lauschige Badestrände mit Namen wie „Sibirien“ zu Abkühlungen ein, ehe der Fernwanderweg die Halbinsel Kulla umrundet und durch einige der wenigen schwedischen Weinberge führt. Zwischen Höganäs und Helsingborg ist ein Hafenort hübscher als der andere. Also halte ich noch hier und da, bevor ich triumphierend auf einer beflaggten Straße in eine der ältesten Städte Skandinaviens einrolle. Was Besichtigungen in Helsingborg betrifft, sollte man Zeit für das königliche Schloss Sofiero, den Festungsturm Kärnan und die St.-Marien-Kirche einplanen. Was bin ich froh, als ich den Kattegatleden endlich bezwungen habe!
Wo übernachten am Kattegatleden?
Entlang des Fernradwegs hat man die besten Voraussetzungen, auf Campingplätzen zu übernachten. Oder mitten in der Natur, denn in Schweden gilt das Jedermannsrecht. Das bedeutet, dass sich jeder Mensch überall in der Natur aufhalten und frei bewegen darf, solange man sie mit Respekt behandelt. In Nationalparks kann es allerdings sein, dass Camping nur an ausgewiesenen Plätzen erlaubt ist.
Viele Wanderer und Radfahrer nutzen anstelle von Campingplätzen die kostenfreien Shelter. Das sind offene Hütten aus Holz, wo man Luftmatratzen und Schlafsäcke ausbreiten kann und vor Regen und Wind geschützt ist. Meist gibt es auf solchen Plätzen auch Feuerstellen, Tische, Bänke und Toiletten.
All das entspricht ganz und gar nicht meinem Geschmack. Auf jeden Fall ist zu bedenken, dass der Transport der Campingausrüstung auf dem Fahrrad zusätzliches Gewicht bedeutet. Es kommt auch wenig Freude auf, wenn man nach einem Regenschauer in der Nacht gezwungen ist, ein nasses Zelt wieder einzupacken.
Deshalb übernachte ich während meiner Radreise auf dem Kattegatleden in Pensionen, Hostels und Privatzimmern. Dabei kann es auch zu interessanten Situationen kommen. Bei Kungsbacka schlafe ich zum Beispiel in einer spartanischen Hütte auf einem Bauernhof – mit Toiletten und Duschen im Pferdestall.
Der Nachteil an meiner Variante des Reisens: Sie ist kostspieliger und sollte längere Zeit im Voraus geplant werden, um erstens freie und zweitens bezahlbare Zimmer zu finden. Während der Hauptsaison fällt mir das auf dem Kattegatleden ziemlich schwer. Aus diesem Grund mache ich aus den empfohlenen acht Tagesetappen fünf. Und nachdem ich zwischen Kungsbacka und Falkenberg bei Gegen- und Seitenwind über 100 Kilometer gerockt habe, hält sich meine Lust auf einen Streifzug durch die Gemeinde am Abend in Grenzen.
Fotos © Annika Senger
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