Reinhard Pantke ist in diesen Sommer über 6.500 km per Fahrrad von Norddeutschland aus durch Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen zum Nordkap und zurück geradelt. Eine der abwechslungsreichsten und schönsten Strecken der gesamten Tour war die knapp 660 km lange Küstenstraße FV 17 zwischen Bodø und Steinkjer.
Für Radfahrer und Fußgänger sind die Auto-Fähren nicht nur gratis, sondern sorgen auch für herrlich entspanntes Radeln: Wenn die Autos heruntergerollt sind, dauert es oft 1-2 Stunden, bis die nächste Fähre weitere Autos bringt. Mindestens sechs Fähren warten, wenn man nur auf der Hauptstrecke bis Steinkjer radeln will. Wer mehr von den ca. 15.000 Inseln entlang der „Helgelandsküste“ erleben will, wird im Sommer unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten mit Auto-, Expressfähren und der Hurtigruten finden.
Gezeitenströmen und die nordische „Unterwelt“
Ich habe unglaubliches Wetterglück. Der Sommer 2022 war einer der regenreichsten Sommer ohne längere Schönwetterphasen, aber jetzt, Anfang September, strahlt 10 Tage lang die Sonne vom wolkenlosen Himmel.
Vielleicht ist die Zeit Ende August/Anfang September eh die schönste Reisezeit: Die Hochsaison ist vorbei, das Licht ist noch intensiver, die Farben wärmer, ein Hauch von Herbst liegt in Luft, obwohl es tagsüber immer noch 20 Grad warm wird. Und nach stundenlangen Sonnenuntergängen hat man erste Chancen, Nordlichter über den Himmel geistern zu sehen!
20 Kilometer von Bodø entfernt, bewundere ich den Saltstraumen: der stärkste Gezeitenstrom der Welt. Über 400 Millionen Kubikmeter Meerwasser zwängen sich dort durch eine schmale Öffnung in den Fjord oder in Richtung Meer. Riesige Strudel wirbeln mit fast 40 km/h unter der Brücke hindurch, am Ufer stehend hat man zeitweise das Gefühl, an einem tosenden Wildwasserfluss zu stehen.
Abenteuerland
Nebel wabern morgens über die Bergseen, die Straße windet sich spektakulär an weiten Fjordufern südwärts und wird von schroffen, wilden Berglandschaften eingerahmt, die oft aus kargen Felsen bestehen. Keine Welle kräuselt das Wasser und die Straßen sind verkehrsarm. Radlerherz, was willst du mehr?
Immer wieder geht es in den „Untergrund“, die z. T. kilometerlangen Tunnel sind jedoch gut beleuchtet und belüftet. Einzig vor dem Svartisen-Gletscher müssen Radfahrer anstatt des Tunnels eine reizvolle Alternativstrecke und Fährfahrt wählen. Der Gletscher, der noch heute fast bis auf Meereshöhe herunterkommt, lohnt einen Tagesausflug mit kurzer Wanderung.
Inselleben am Polarkreis
Per Schnellboot geht es durch ein Labyrinth aus Felsen und Schären zur abgelegenen Insel Træna, die knapp südlich des Polarkreises liegt und heute von knapp 500 Menschen bewohnt wird. Die Hauptinsel hat ein winziges Straßennetz, schon nach knapp vier Kilometern bin ich am Ende der Hauptinsel angekommen. Jedes Jahr im Sommer vervielfacht sich die Bevölkerung, wenn hier ein Musikfestival abgehalten wird, das u. a. in einer Grotte auf der Nachbarinsel stattfindet!
Es gibt einen Supermarkt, einen Blumenladen und im kleinen, einzigen Insel-Café komme ich mit einem Einheimischen ins Gespräch, der mir erzählt: „Jeder kennt hier jeden auf der Insel, niemand würde z. B. auf die Idee kommen, sein Haus zu verschließen – warum denn auch?“
Karibische Strände und Lady Aurora
Kurz hinter Nesna beginnt der eher flache Teil der Küstenstraße. Als ich in Sandnessjøen auf die vorgelagerten Inseln Dønna und Herøy übersetze, habe ich das Gefühl, in der Karibik zu sein: Von den vielen Brücken, die die Inseln miteinander verbinden, blickt man über einen Flickenteppich aus Inseln und Schären, feinsandigen Traumstränden und glasklaren Buchten. Nur wer den Zeh ins Wasser hält, würde schnell wieder in die nordischen Realitäten zurückgeholt werden.
Jetzt, Anfang September, wird es wieder dunkel, allerdings dauert es nach Sonnenuntergang sicher noch gut zwei Stunden bis zur vollständigen Dunkelheit. In Offersøy mischen sich in das Abendrot schon die ersten Nordlichter. Das Himmelsspektakel will stundenlang kein Ende nehmen, die Lichter tanzen in verschiedenen Farben über den Abendhimmel und sind auch mit bloßem Auge gut zu sehen. An Schlaf ist kaum zu denken, die Speicherkarten glühen und erst um 3 Uhr komme ich ins Bett.
Von Brønnøysund südwärts
Die Stadt liegt nicht nur am Wasser, sondern ist auch guter Ausgangspunkt für eine 40 Kilometer lange Tagestour zum Torghatten, dem Berg mit dem „Loch“; die Felshöhle mit wunderbaren Fernblicken kann man nicht nur durchwandern, sondern auch umlaufen!
Der südliche Teil der kommenden Tagesetappen führt von Brønnøysund durch abwechslungsreiches Waldland zur Küste. Die nächsten Etappen nach Namsos haben teils es in sich: Stetig geht es bergauf und bergab und obwohl kein Punkt höher als 150 Meter ist, stehen am Ende der meist gut 70 m langen Tagesetappen 1.500-2.000 Höhenmeter.
Als der Hotelmanager im „Rock Hotel“ in der Musikerstadt und meinem Fast-Endpunkt Namsos von meiner langen Radtour erfährt, bietet er mir eine einzigartige Übernachtung im Hotel an: Eine Nacht im „Gitarrenbett“ des Hotels lässt Rockstarfeeling aufkommen, auf das standesgemäße Zertrümmern der Einrichtung verzichte ich nicht nur aus Müdigkeit und radele am nächsten Tag nach Steinkjer.
Natürlich sind diese kurzen Ausführungen nur einige wenige Appetizer auf die landschaftliche und kulturelle Vielfalt. Auf der Küstenstraße Kystriksveien (Fv17) ist viel mehr zu entdecken! Egal ob mit Fahrrad, zu Fuß, im Auto oder Wohnmobil, ob in drei Tagen oder drei Wochen – langweilig wird es an der Küste garantiert nie!
Interview mit Frode Lindberg
Ich hatte das Vergnügen, mich mit Frode Lindberg vom „Kystriksveien Reiseliv“ auch über Radfahren auf dem „Kystriksveien“ kurz zu unterhalten.
Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren auch immer mehr Norweger das Fahrrad für Reisen benutzen. Können Sie das bestätigen?
Frode Lindberg: Ja, das stimmt. Immer mehr Menschen aus Norwegen besuchen die Inseln mit dem Fahrrad. Leka, Vega, Dønna und Herøy sind die beliebtesten Ausflugsziele. Aber es kommen auch viele Urlauber aus ganz Europa, die oft lange Strecken zurücklegen und den „Kystriksveien“ als Teil einer längeren Reise entlang radeln. Natürlich bringen auch viele ihr Fahrrad mit dem Auto oder Caravan mit nach Norwegen, um dann hier Tagesausflüge zu unternehmen.
Viele Reisende meinen ja, dass Norwegen viel zu bergig zum Radfahren sei. Dabei gibt es auch viele flache Strecken. Haben Sie Tipps oder auch geführte Touren?
Frode Lindberg: Norwegen hat eine Menge Berge, aber entlang der Küsten gibt es viele Gebiete mit flachem Gelände. Auf dem „Kystriksveien“ empfehle ich die Helgelandküste im mittleren Teil mit großartigen flachen und eher kurzen Routen. Hier ist man umgeben von Bergen, ohne über sie hinüberfahren zu müssen. Im nächsten Jahr bieten wir einige Touren mit Gepäcktransport und Reiseführer an. Eine leichte Tour (20 bis 40 Kilometer pro Tag) führt sechs Tage durch Helgeland. Die Tour von Bodø nach Steinkjer dauert zwölf Tage und ist für erfahrene Tourenradler gedacht (60 bis 90 Kilometer pro Tag).
Haben Sie eigentlich drei persönliche Lieblingplätze, die Sie uns verraten?
Frode Lindberg: Die Inseln Dønna und Herøy mit ihren großartigen Landschaften und atemberaubenden Ausblicken eignen sich wunderbar zum Wandern und zum Radfahren. Ein großes Vergnügen ist auch ein Besuch auf Træna; ein idealer Ort zur Erkundung der Natur und zum Entspannen.
Dann gibt es auf dem Weg zwischen Meløy und Rødøy einen Rastplatz mit Namen Ureddplassen, der ein wunderbarer Aussichtspunkt ist. Diesen speziellen Abschnitt des „Kystriksveien“ liebe ich besonders. Als kleiner Junge auf dem Weg zu meinem Großvater machte ich dort halt, um die Mitternachtssonne zu sehen.
Vielen Dank für dieses Interview!
Infobox
Offizielle Seite des RV 17: www.kystriksveien.no/?lang=en
Auch die handlichen Büchlein, die an vielen Stellen ausliegen, sind eine wertvolle Infoquelle, da z. B. auch alle aktuellen Fahrpläne, Tunnel und viele Unterkünfte nicht nur für Radfahrer erwähnt sind.
Nützliche Apps: www.entur.no (alle Verkehrsverbindungen) und www.yr.no (norwegischer Wetterdienst)
Reisezeit: Ende Mai bis Mitte/Ende September, von Mitte Juni bis Anfang/Mitte August sollte man feste Unterkünfte vor buchen.
Unterkünfte: Es gibt alles vom einfachen Campingplatz bis zu gehobenen Hüttenanlagen oder Hotels. Viele Unterkünfte findet man auf der Seite des „Kystriksveien Reiseliv“. Ab Anfang/Mitte September machen die ersten Campingplätze und kleinere Unterkünfte wieder zu.
Einige meiner persönlichen Highlights:
www.kvitbrygga.no
Wunderschöne Hütten in Halsa, direkt am Fjord, auch bei Anglern sehr beliebt. Der ebenfalls empfehlenswerte Furøy Camping liegt 200 Meter weiter.
www.kystferie.no
Toller Campingplatz mit gemütlichen Hütten am Fjord, ca. 8 Kilometer nördlich Tjøtta. Nette Wirte, ab Ende August super Platz, um die ersten Nordlichter ohne Lichtverschmutzung zu sehen.
www.trenaovernatting.no
Wirkliches Inselleben im Gästehaus auf der Insel Træna mit einfachen, aber günstigen Zimmern und Gemeinschaftsküche.
Für „gehobene Ansprüche“ mit typischen, überragenden Frühstücksbüffets:
www.scandichotels.no/rockcity in Namsos und das „Scandic Syv Søstre“ (in Sandnessjøen)
www.reinhard-pantke.de
Die Seite des Autors, auch mit Terminen zu seinen Multivisionsshows und vieles mehr!
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