Klangküche Musik

Interview mit Ane Brun

Die große skandinavische Sängerin Ane Brun – geboren in Norwegen und lebend in Schweden – hat Ende 2020 gleich zwei neue Alben veröffentlicht. Wir stellen der Sängerin ein paar Fragen.

Hallo Ane Brun, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben! Sie haben im Herbst 2020 zwei neue Platten veröffentlicht, das erste neue Material seit fünf Jahren. Haben Sie die Songs in den letzten Jahren geschrieben oder sind Sie nach einer längeren Pause auf einmal zugefallen? 

Ich habe die meisten Songs während einiger Wochen im Sommer 2019 geschrieben, in einer Hütte in den norwegischen Bergen. Ich hatte ein paar Jahre, in denen ich nicht viel geschrieben habe, weil ich 2016 meinen Vater verloren habe.  In diesen zwei Jahren konnte ich nicht viel Musik schreiben, mit Ausnahme von „Lose My Way“, „Song for Thrill and Tom“ und „Meet you at the Delta“, das ursprünglich ein Song war, den ich zu einem Gedicht des schwedischen Dichters Bruno K. Öjer für eine Literatur-Fernsehshow vor ein paar Jahren geschrieben habe. Für das Album habe ich einen neuen englischen Text zu diesem Song geschrieben. Der umfangreichere Songwriting-Prozess mit dem Ziel eines neuen Albums begann im Frühjahr 2018. „Don’t run and hide“ war der erste Song, den ich in diesem Schreibzyklus geschrieben habe, und er wurde zu einer Art Leitfaden dafür, wie ich den Rest der Songs schreiben wollte. „Trust“ war der zweite Song. Und von da an arbeitete ich mit dem neuen Album im Hinterkopf. „Breaking the Surface“ ist der einzige Song, den ich im Jahr 2020 geschrieben habe, während der Pandemie.

Die Single „Don’t Run And Hide“ kommt mit einem wunderschönen Video daher. Verstehen wir die Botschaft richtig, dass Sie Minderheiten stärken und sie ermutigen wollen, sich zu äußern?

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Ja, der Regisseur Stian Andersen und ich haben das besprochen, und wir wollten verschiedene Charaktere zeigen, die inspirierend sind in der Art, wie sie sich zeigen und ihre Meinung sagen. Der Song versucht, die Botschaft zu vermitteln, dass man sich nicht isolieren sollte, wenn man sich an einem dunklen Ort befindet. Dass es wichtig ist, anderen die Hand zu reichen.

Die deutschen Tourdaten sind verschoben worden. Nicht mehr live spielen zu können, wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit und Ihr Leben als Künstler aus? Sind Sie aktiver in den sozialen Medien, um mit den Fans in Kontakt zu bleiben?

Die Live-Performance ist etwas, das es uns als KünstlerInnen ermöglicht, mit unseren ZuhörerInnen zu kommunizieren, und es ist jetzt offensichtlich, dass dies sehr wichtig für uns ist. Die Musik wird lebendig, wenn sie mit dem Zuhörer kommuniziert und von ihm aufgenommen wird, und es ist leicht, unsere Identität als Künstlerin in Frage zu stellen, wenn wir das nicht tun können. Als im März alles stillstand, spürte ich intuitiv, dass meine Kommunikation mit meinen HörerInnen in den sozialen Medien und durch meine Songs mehr denn je authentisch sein musste. Es war keine Zeit für Bullshit, und auch für mich persönlich hatte ich das Bedürfnis nach echten Treffen und echten Gesprächen. In den ersten Monaten richtete ich einige Meet-and-Greet-Sessions online ein, bei denen ich Fans zu „Pre-Listening-Partys“ einlud, und ich hatte einige erstaunliche Gespräche mit Leuten aus der ganzen Welt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass ich das auch in Zukunft machen werde.

Die Musik auf „After The Great Storm“ ist offensichtlich nicht nur von Folkmusik inspiriert. Können Sie ein paar Einblicke geben, wie dieser Sound entwickelt wurde?

Als ich dieses Album plante, hatte ich ein Bild im Kopf, dass der Sound auf den Schultern meines Albums „When I’m Free“ (2015) stehen und über mein Cover-Album „Leave Me Breathless“ (2017) hinausgehen und einige orchestrale Klänge aus dem Symphonieorchester-Album „Live at Berwaldhallen“ (2018) aufgreifen würde. Damit meine ich, dass ich weiterhin viele der gleichen Einflüsse wie 2015 erforschen wollte, wie zum Beispiel den Trip-Hop der 90er Jahre wie Massive Attack, Portishead, Unkle, aber auch den zeitgenössischen Sound von James Blake, Kendrick Lamar, S.I.R., The Knife. Und ich hatte überhaupt nicht vor, dieses Mal ein Singer-Songwriter-Album zu machen, das dem Sound des Cover-Albums ähnelt. Aber als ich die Aufnahmen beendete, mussten einige der Songs schließlich gestrippt werden, um ihr bestes Potenzial zu entfalten, und wurden zu einem zweiten Album „How beauty holds the hand of sorrow“ hinzugefügt, das einen viel spärlicheren Sound hat als „After The Great Storm“.

Wir haben das Gefühl, dass Sie Ihren Zuhörern mit der Musik, die Sie veröffentlichen, Hoffnung geben. Was gibt Ihnen selbst Hoffnung in schwierigen Zeiten?

Oh, das macht mich sehr glücklich, wenn Sie das sagen! Ich versuche wirklich, durch meine Musik etwas zu „geben“. Ich fühle mich hoffnungsvoll, wenn ich an die besten Fähigkeiten der Menschen denke, wie Kreativität, Innovation und Mitgefühl. Wenn wir es schaffen, sie zu nutzen, denke ich, können wir alles lösen. Und wenn ich Menschen sehe, die freundlich zueinander sind. Ich versuche, Instagram-Profilen mit positiven, empathischen Nachrichten zu folgen… wo Menschen sich gegenseitig helfen, Tiere retten usw. Das bringt mich zum Weinen. Es gibt eine Szene in dem Film Avatar, wo mitten in der großen Schlacht alle Tiere zusammenkommen und sich den Avataren im Kampf anschließen. Bei dieser Szene muss ich immer weinen. Zusammengehörigkeit macht mich sehr emotional. Das ist so menschlich.

Text: © backseat, Hamburg, Bilder: © Stien Anderson

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