Die Gruppenausstellung Fog Swept Cargo kehrt nach drei Monaten in New York, USA, zurück nach Tórshavn, Färöer. Ein Großteil der Werke, die die letzten Monate im Scandinavia-Haus, dem nordischen Kulturhaus in Amerika, zu sehen waren, können nun im oberen Ausstellungsraum der Grafikwerkstatt Steinprent begutachtet werden.
Blick in die Grafikwerkstatt Steinprent
Das Scandinavia-Haus ist das Hauptquartier der amerikanisch-skandinavischen Stiftung ASF, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Kulturen des nordeuropäischen Raumes in Amerika bekannt zu machen. Neben kulturellen Veranstaltungen wie Ausstellungen und Lesungen verfolgt die Stiftung einen Bildungsauftrag und bietet unter anderem auch Sprachkurse sowie Vorlesungen an. Der Fokus liegt dabei meist auf den ‚großen‘ Ländern Nordeuropas. Dieses Frühjahr widmete sich die Stiftung mit einem vielfältigen Angebot an Veranstaltungen jedoch den Färöern.
Drei Werke aus Holz von Hanni Bjartalíð.
Zentraler Teil der färöischen Kulturtage war die Gruppenausstellung Fog Swept Cargo, Nebel-gestreifte Fracht. Die Ausstellung wurde von der Kunsthistorikerin Kinna Poulsen kuratiert, die dieses Jahr mit dem dänischen Kunstkritikerpreis des 15. Juni Fonds ausgezeichnet wurde. Die Kuratorin, die in Tórshavn aufgewachsen ist, verbindet viel mit dem Naturphänomen Nebel. So schreibt sie im Ausstellungstext, dass die Nebelhörner der Frachtschiffe den Soundtrack ihrer Kindheit bilden. Dabei stellt sie gekonnt eine metaphorische Verbindung zwischen der zeitgenössischen färöischen Kunst und den vom Nebel feuchten Frachtcontainern her, wenn sie im Vorwort des Ausstellungskatalogs schreibt:
„Nebel enthält sowohl Dunkelheit als auch Licht. Er reduziert die Sicht, kann aber trotzdem die Farbtöne und Texturen von nahen Objekten intensivieren. Ich kann noch immer die massiven Schiffe ins Blickfeld kommen sehen, ihre Decks vollgestapelt mit bunten intermodalen Containern voll nebel-gestreifter Fracht. Heute erinnert mich dieser beeindruckende Anblick daran, dass die dynamische Natur der zeitgenössischen färöischen Kunst nicht nur von der dramatischen Schönheit und einzigartigen Kultur der achtzehn Inseln herrührt, sondern von unseren Verbindungen mit der ganzen Welt.“ – Kinna Poulsen
Blick in die Ausstellung mit dem Textilkunstwerk Drop dead Gorgeous Balls von Randi Samsonsen im Vordergrund.
Lithografie-Serie Bylgilongdir von Tóroddur Poulsen im Hintergrund.
Fog Swept Cargo brachte zum ersten Mal färöische Kunst in ihrer vollen Diversität in die Vereinigten Staaten und ist somit ein Meilenstein in der färöischen Kunstgeschichte. Umso erfreulicher ist es, dass diese historische Werkschau zur Feier des Nationalfeiertages Ólavsøka, zumindest in Teilen, auch für alle Besucherinnen und Besucher der Inseln in den Räumen der Grafikwerkstatt Steinprent zu sehen ist. Ein wenig versteckt im hinteren Teil der Werkstatt im ersten Stock treffen hier die sieben Künstler und Künstlerinnen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Genres ein weiteres Mal aufeinander.
Blick in den Ausstellungsraum mit einer Installation von Jóhan Martin Christiansen im Vordergrund.
Beim Betreten des Raumes fällt der Blick zuerst auf Randi Samsonsens Textilkunstwerke Drop dead Gorgeous Balls, die allein durch Größe und Farbe ein Blickfang sind. Die Künstlerin ist bekannt für ihre farbenfrohen, rundlichen und auf den ersten Blick naiv wirkenden Textilskulpturen. Der Titel verrät bereits, dass der erste Eindruck täuschen mag und die Arbeiten mit tiefgehenden Untertönen auftreten. Sichtbar werden diese so bald dem Betrachtenden die Seile in den Blick fallen, mit denen die poppigen Skulpturen an der Decke befestigt sind.
Blick in die Ausstellung mit dem Textilkunstwerk Drop dead Gorgeous Balls von Randi Samsonsen im Vordergrund.
Eine interessante Newcomerin der färöischen Kunstszene ist Alda Mohr Eyðunardóttir. Die in Kopenhagen lebende Kunststudentin ist fasziniert von typisch färöisch geltenden Materialien wie zum Beispiel der Schafswolle. Die drei Bronzeskulpturen zeigen drei unterschiedliche Wollprodukte, Garn, Socke und Haube. Sie beschäftigt sich dabei auf melancholische Art und Weise mit Fragen der kulturellen Identität, die Zeugnis tragen von einem persönlichen Kampf mit dem Von-Zu-Hause-Weg-Sein.
Bronzeskulpturen im Vordergrund von Alda Mohr Eyðunardóttir. Lithografie-Serie Bylgilongdir von Tóroddur Poulsen an der Wand.
Neben den genannten beiden Künstlerinnen sind außerdem folgende Künstlerinnen und Künstler Teil der Ausstellung: Hansina Iversen, Jóhan Martin Christiansen, Tóroddur Poulsen, Hanni Bjartalíð und Rannvá Kunoy. Sie alle haben einen eigenen Stil und arbeiten mit unterschiedlichsten Materialien wie Holz oder Baumaterialien. Auch wenn der Umfang der Ausstellung klein ist und nur einen Raum füllt, bietet sie doch einen guten Einstieg in die zeitgenössische Kunst der Färöer. Der Besuch ist kostenlos und Interessierte können an einem Büchertisch mehr über die einzelnen Künstler und Künstlerinnen erfahren.
Collagen von Hanni Bjartalíð.
Die Ausstellung im Scandinavia-Haus wurde in Kooperation mit dem färöischen Außenministerium realisiert. Das Begleitprogramm beinhaltete ein Diskussions-Panel zur Eröffnung, Führungen und Workshops. Der Begleitfilm zur Ausstellung findet sich auf YouTube.
Die verwendeten Fotos habe ich bei meinem Besuch am 26. Juli aufgenommen.
Steinprent befindet sich im alten Østrøm-Gebäude im Tórshavner Hafen, Skálatrøð 16, und ist von Montag bis Freitag von 9:00–17:00 sowie samstags von 11:00–16:00 geöffnet.
Mehr zu den Färöischen Kulturtagen im Scandinavia-Haus:
https://www.scandinaviahouse.org/exhibitions/fog-swept-cargo
Ein Gemälde von Rannvá Kunoy.
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