Die Menschen hinter den Kulissen – Teil 3
Aber nicht nur lokale Anbieter touristischer Leistungen im Norden, auch viele damit verbundene Wirtschaftszweige und Selbstständige wie z.B. Reisebüros, Verlage, Reiseleiter, Messebauer, Fotografen und Autoren, die mit dem Tourismus verflochten sind, stehen seit zwei Jahren vor großen Herausforderungen und Unsicherheiten. Aus leidvoller persönlicher Erfahrung kann ich nur erzählen, dass z.B. meine Multivisionsshows zu verschiedenen nordischen Destinationen, durch die ich meinen Lebensunterhalt teilweise finanziere, überwiegend ausfallen mussten oder immer wieder verschoben wurden. Zudem sind die allermeisten Foto- und Textaufträge, die sonst von Tourismusunternehmen oder Magazinen und Zeitungen gekommen sind, unter den Tisch gefallen.
Wenn Reisen wieder in den Sommermonaten möglich waren, trafen die Nachfragen der Reisewilligen oft auf schwierige oder sich schnell ändernde Bestimmungen vor Ort oder auf eine sehr große Nachfrage in einer vergleichsweise kurzen, sommerlichen Reisezeit. Nun haben aber alle der Befragten die Hoffnung, dass 2022 tendenziell ein normaleres Jahr wird.
Ich habe mich mit drei Damen und Herren unterhalten, die seit Jahrzehnten mit dem Norden Europas eng verbunden sind: Der Fotografin und Reiseleiterin Frau Alexandra von Gutthenbach-Lindau, Herr Ulrich Slotta vom Reisebüro „Fjordtra“ und last, but not least Herrn Jörn Backhaus vom Nordis Verlag.
Beginnen wir mit der Dame, Hallo Frau von Gutthenbach-Lindau, welche Erwartungen haben Sie für das Jahr 2022? Was war das für ein Gefühl, als es mit den Hurtigrutentouren endlich wieder losging? Können Sie der „Dauerkrise“, die ja seit fast 2 Jahren anhält auch etwas Positives abgewinnen?
Nach zwei Jahren Pandemie traut man sich kaum mehr Erwartungen zu haben, dennoch sehe ich den Start ins Jahr 2022 deutlich optimistischer als ins Jahr 2021, einfach weil es mittlerweile eine Reihe von Parametern gibt, die deutlich mehr Spielraum geben mit dem Virus zu leben. Das ist nicht nur die Impfung, sondern auch die Fähigkeit des Menschen, sich mit neuen Umständen zu arrangieren. Wieder arbeiten zu können, wenn auch mit einer gewissen Unsicherheit, ist eine deutliche Verbesserung zum letzten Jahr. Natürlich war es für mich ein großartiges Gefühl wieder zu Hurtigrutentouren zu starten. Was viele als selbstverständlich ansehen, nämlich während der Pandemie ein regelmäßiges Gehalt zu verbuchen, war für mich als Reiseleiterin in den letzten zwei Jahren ein seltenes Ereignis. Aber nicht nur Geld zu verdienen war für mich beim Neustart entscheidend, sondern auch in meinen Beruf zurückzukehren, der mich jede Sekunde erfüllt und den ich mit Leidenschaft mache. Der Dauerkrise etwas Positives abzugewinnen fällt ebenfalls zunehmend schwerer. Allerdings ist mir nach dem Neustart aufgefallen, dass auch meine Gäste auf den Hurtigrutenschiffen eine enorme Dankbarkeit entwickelt haben, diese tolle Tour nach zig Umbuchungen erleben zu dürfen. Und auch die Empathie der Gäste für uns, die im Tourismus arbeiten, hat unseren Seelen überdurchschnittlich gut getan. Der Zusammenhalt zwischen Gästen und Crew hat in diesen Zeiten noch einmal einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht.
Sie sind als Reiseleiterin eine Kennerin der norwegischen Küstenlinie, haben Sie einen Lieblingsplatz oder eine favorisierte Gegend?
Im letzten Interview habe ich bereits die Lofoten Inseln als einen meiner liebsten Plätze der Tour und in Norwegen überhaupt genannt. Seit dem Neustart ist ein Platz hinzugekommen. Der Platz direkt am Bug der Hurtigrutenschiffe auf Deck fünf. Wenn einem der frische arktische Wind um die Nase weht, die Augen tränen, die Nase läuft, man die Natur spürt. Und all das im Angesicht einer grandiosen Landschaft, die sich nicht nur minütlich in ihrer Perspektive ändert, sondern die uns entführt in eine Welt, wo das Virus weit weg ist, wo man zur Ruhe kommt und Kraft tanken kann. Das habe ich auf den Touren seit September 2021 besonders oft getan.
Wenn Sie einen Wunsch freihaben würden, welcher wäre das?
Wünsche haben sich in den letzten zwei Jahren auf ein geringes Maß reduziert. Die Spaltung in der Gesellschaft, die sich schon zum Jahreswechsel 2021 deutlich abgezeichnet hat, hat sich noch einmal deutlich verstärkt. Und ich muss sagen, dass sich mittlerweile auch bei mir eine gewisse Diskussionsmüdigkeit eingestellt hat, um Empathie für die besonders betroffenen Branchen zu werben. Ich wünsche mir, dass wir uns 2022 endlich wieder auf die wichtigen Dinge fokussieren, die es zudem noch gratis gibt. Verständnis für den anderen, an einem Strang ziehen, Meinungen akzeptieren, miteinander reden. Ob das gelingt, wird sich zeigen, ich habe noch Resthoffnung. Persönlich wünsche ich mir, dieses Jahr neue Reiseziele zu entdecken. Island macht den Anfang im Mai. Dort freue ich mich auf spannende Foto- und Filmprojekte. Und beruflich freue ich mich dieses Jahr darauf, eine Reise für Hurtigruten Expedition zu leiten, die mich von den Shetlands über die Färöer nach Island und weiter nach Spitzbergen führen wird. Es ist der dritte Anlauf, aber bekanntlich sind ja aller guten Dinge drei.
Vielen Dank für die dieses Interview!
Weitere Informationen:
www.hurtigruten.de
insidenorway.me
www.skandinavien.de/wie-geht-es-weiter-in-2021-ein-rueckblick-und-der-versuch-eines-ausblicks
Herr Slotta ist Chef eines kleinen Reisebüros und Reiseveranstalters, das sich auf den Norden Europas, insbesondere Norwegen, spezialisiert hat. Mit ihm habe ich mich über Probleme von Reisebüros und die Erwartungen für 2022 unterhalten.
Guten Tag Herr Slotta, das Jahr 2021 hat Reiseveranstalter und Reisebüros vor viele Probleme gestellt. Man hatte das Gefühl, dass viele Menschen wieder „hungrig“ auf den Norden sind, aber welche Probleme erschweren Ihnen Anbieten von Reisen und somit das wirtschaftliche Überleben? Haben Sie die Erwartung, dass es in 2022 besser werden wird?
In den beiden vergangenen Jahren hatten wir natürlich sehr viele Stornierungen und Umbuchungen abzuwickeln. Für 2022 freuen wir uns aktuell aber wieder über mehr Neu-Buchungen als Umbuchungen bzw. Stornierungen.
Aber natürlich sind viele Menschen immer noch vorsichtig und verschieben Ihre Reisepläne dann doch lieber auf spätere Jahre.
Dazu kommt, dass viele Airlines immer noch gerne ihre Flugpläne „optimieren“, wodurch dann bereits gebuchte Flüge gestrichen werden oder bei Umstiegen die Anschlüsse nicht mehr funktionieren.
Aktuell hoffen wir, dass im März unsere Reisen zur RAW Air nach Lillehammer und am Holmenkollen, zur Skiflug WM in Vikersund und zum Biathlon Weltcup in Oslo stattfinden können und in den Arenen Zuschauer erlaubt sind.
Haben Sie einen Tipp für alle, die noch unentschlossen sind, wann und wo Sie Ihren Sommerurlaub buchen sollen? Was ist eigentlich ihre persönliche Lieblingsregion im Norden?
Wir sind ja seit nunmehr 30 Jahren Hurtigruten Agentur und lieben wie unsere Kunden diesen traditionellen Linienverkehr entlang der norwegischen Küste.
Dazu fährt unser „Lieblingsschiff“ MS Otto Sverdrup (die 2020 modernisierte und mit moderner Hybrid-Technik ausgestattete ehemalige MS Finnmarken) jetzt ganzjährig „auf den Spuren der Postschiffroute“ ab/bis Hamburg.
Und seit Dezember 2021 gibt es mit Havila Kystruten einen neuen Anbieter mit ganz neuen, besonders umweltfreundlichen Schiffen, die z.B. im engen Geirangerfjord bis zu 4 Stunden rein elektrisch fahren können.
Bei unserem „Havila Eröffnungs-Angebot 2022“ haben wir auch für diesen Sommer noch einige Kabinen zu besonders günstigen Konditionen.
Aber natürlich lassen sich die nordischen Länder auch individuell, z.B. auf einer Autorundreise mit vor gebuchten Unterkünften bereisen.
Ich persönlich liebe besonders den hohen Norden, z.B. auf den Lofoten und Vesterålen, wenn es im Sommer gar nicht richtig dunkel wird und dafür im Winter die Nordlichter am Himmel tanzen.
Wenn Sie einen Wunsch freihaben, der sich nicht auf das allseits erhoffte Ende der Pandemie bezieht, welcher wäre das? Fällt Ihnen etwas ein, was Sie in Pandemiezeiten nicht tun konnten und jetzt unbedingt nachholen wollen?
Als Fan von Livemusik hoffe ich, dass diese Jahr die a-ha Konzerttournee endlich stattfinden kann und freue mich dann auf die besondere Atmosphäre bei den seit 2020 mehrfach verschobenen Konzerten in Oslo.
Danke für das Interview!
Weitere Information:
fjordtra.de
Natürlich möchte ich bei dieser Gelegenheit auch Herrn Backhaus von Nordis zur Wort kommen lassen, der mir als Geschäftsführer des Nordis Verlags als Gesprächspartner zur Verfügung stand.
Guten Tag Herr Backhaus, die letzten fast 2 Jahre waren für viele Unternehmen eine Zeit, die für viele Medienkonzerne auch wegen fehlender Planungsmöglichkeiten und z.B. fehlender Anzeigenkunden große Probleme brachte. Für viele ging es da sicher um viel mehr, als darum, vielleicht nicht in Norden reisen zu können. Was waren für „Nordis“ die größten Probleme in der vergangenen Zeit und welche Erwartungen haben Sie für 2022?
Fangen wir mit etwas Positivem an: Dadurch, dass das Nordis-Magazin bereits seit 1994 auf dem Markt ist, hatten wir natürlich schon vor Corona eine sehr hohe Abonnentenzahl. Da die Reiseaktivitäten gerade nach Norwegen und Finnland in den letzten beiden Jahren zeitweise massiv eingeschränkt waren, hatten die Leute einen noch viel größeren Bedarf sich Skandinavien nach Hause zu holen. Die somit signifikant angestiegene Zahl der Abonnements hat den natürlich rückläufigen Anzeigenumsatz zumindest teilweise kompensiert. Auf Grund dieser großen Basis mussten wir auch keine Nordis-Ausgabe verschieben bzw. ausfallen lassen. Für unser Messegeschäft war und ist Corona natürlich ein großes Problem. So hat die letzte große SkandinavienWelt in Essen im Februar 2020 stattgefunden. Leider fällt nun auch die für Februar 2022 geplante große Neuauflage ins Wasser. Wir sind gespannt, wie sich hier die Lage in Zukunft entwickeln wird.
Können Sie der Krise auch etwas Positives abgewinnen?
In meiner vorherigen Antwort habe ich ja schon mit etwas Positivem begonnen, es gibt aber noch mehr. Das hat damit zu tun, wie man als Unternehmen generell mit Krisen umgeht. Natürlich wurde bzw. wird die Tourismusbranche hart von Corona getroffen. Wir haben uns aber dazu entschlossen, die Zeit, die wir durch die Corona-Pandemie bekommen haben, effektiv zu nutzen. Denn es wird definitiv eine Zeit nach der Pandemie kommen, wenn wieder uneingeschränkte Reisen nach Skandinavien möglich sein werden. Dann möchten wir mit Nordis die perfekte Plattform für skandinavische Destinationen, Reiseveranstalter etc. bieten, die direkt mit einer sehr großen Anzahl an deutschsprachigen Skandinavienfans kommunizieren wollen. Im Umkehrschluss profitieren unsere Leserinnen und Leser natürlich auch davon, in dem wir Ihnen eine Vielzahl an Tipps, Artikeln und Reportagen direkt aus Skandinavien bzw. Nordeuropa präsentieren können, die weit über die Natur des Nordens hinausgehen. So haben wir neben der Qualität des Nordis-Magazins auch in den Ausbau unserer Webseite www.skandinavien.de inklusive Webshop und den Ausbau unseres Vorteilclubs Scanclub, www.scanclub.de, investiert. Auch an das Messekonzept einer SkandinavienWelt glauben wir weiterhin und haben erste Investitionen in einen eigenen Standbau getätigt. Durch die Pandemie hat auch das Thema Wohnmobilurlaub und Camping in Skandinavien noch einen weiteren Schub bekommen. Diese Thematik wollen wir verstärkt durch eine Verknüpfung unseres Wohnmobil-/Campingguides „NordCamper“ mit unserer Webseite und perspektivisch auch der SkandinavienWelt weiter ausbauen.
Wenn Sie einen Wunsch freihaben würden, welcher wäre das?
Dass wir 2024, wenn das Nordis-Magazin sein 30-jähriges Jubiläum feiert, eine fette und große SkandinavienWelt in Essen haben werden. Mit ganz vielen Ausstellern und noch viel mehr Messebesuchern, die sich ohne Angst vor irgendeinem Virus frei und gutgelaunt auf einer Messe bewegen können und wollen.
Danke für dieses Interview!
Weitere Infos:
www.skandinavien.de oder www.scanclub.de
Seite des Autors mit vielen Bildern und Terminen: www.reinhard-pantke.de
Wer Reinhard Pantke auf seinen Reisen verfolgen will: www.facebook.com/pantherontour
Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2 der Reihe “Ausblick und Rückschau – Wie geht es weiter im Norden?”
Text & Bilder: Reinhard Pantke
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