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Ærø ‒ Ostseeperle mit Hygge-Gen

Ein schnuckeliges, zum Feriendomizil umgebautes Häuschen im ruhigen Dorf Ommel als Ausgangspunkt, das Meer mit Badeplätzen in zwei Richtung zu Fuß schnell erreicht und für Inselerkundung E-Bikes der i:SY-Klasse im ›Gepäck‹.

Man muss nicht heiraten, um diese Insel zu lieben!

Text & Fotos: Hans Klüche

Meine Frau und ich erkunden gern kleine Inselwelten und da ist Ærø ‒ 30 Kilometer lang, maximal 8 km breit ‒ ideal für einen Kurzurlaub: Vom Ferienhaus sind es auf Fahrradwegen oder ruhigen Nebenstraßen etwa 30 Kilometer bis zum entferntesten Punkt, dem Leuchtturm Skjoldnæs Fyr, nur drei beziehungsweise neun Kilometer in die schönsten Inselstädte ‒ da kann man abends schnell auf einen Drink in die Ballast Hafenbar von Marstal radeln oder in Den Gamle Købmandsgaard am Marktplatz von Ærøskøbing ein paar Inseldelikatessen fürs Strandpicknick holen ‒ verführerisch das handgemachte Lakritzkonfekt aus der lokalen Hattesens Konfektfabrik.

Romantisch und maritim


Ærøskøbing prägt wie kaum eine andere Stadt Dänemarks Hygge-Image mit engen Kopfsteinpflastergassen, gesäumt von bunt getünchten Häuschen, davor hohe Stockrosen in allen Farben des Regenbogens neben malerischen Türen, jede wenigstens in Nuancen anders als beim Nachbarn. Verwundert es da, dass Ærøskøbing angesichts so vieler romantischer Winkeln und Momenten weit über Dänemark als Heiratshochparadies gilt. Bei gerade einmal 6000 Inselbewohnern segeln hier rund 2000 Paare aus aller Welt jedes Jahr in den Hafen der Ehe. Bevor Dänemarks Regierung die Regeln fürs schnelle Ja-Wort von ausländischen Paaren 2018 straffte, waren noch viel mehr. An schönen Tagen vergeht kaum ein Bummel durch Ærøskøbing, ohne dass man einem Brautpaar begegnet in den Gassen der Stadt begegnet.


Ein Schmuckstück ist dort Dukkehuset, das winzige Puppenhaus in der Smedegade. Nur wenige Schritte entfernt darf man tief in die Flasche schauen: In Flaske Peters Samling segelt und dampft eine der größten Buddelschiffflotten der Welt, das Lebenswerk des ›Flaschen Peter‹. Als aktiver Seemann kreuzte er selbst auf Segelschiffen über die Meere und schuf später diese Welt im Kleinstmaßstab. Sogar in das für sein Grab vorgesehene Zementkreuz ließ er sieben Buddelschiffe ein, für jedes Weltmeer eines.

Unzählige Schiffsmodelle liegen zudem in den Vitrinen des Marstal Søfartsmuseum vor Anker und auf wandfüllenden Gemälden quälen sich Dampfer und Segler durch Stürme oder Schlachten. Zusammen mit der Museumwerft Eriksens Værft am Hafen bildet es eines der größten maritimen Museen des Nordens und besitzt sogar mehrere seetüchtige echte Schiffe.


Auf den ersten Blick nicht museal wirkt der Küstenfrachter »M/S SAMKA« ‒ zu viel Stahl, zu wenig Holz. Die Samka stammt aus einer Reihe baugleicher Schiffe, von denen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg 20 auf Werften in Marstal mit Geldern aus dem Marshall-Plan gebaut wurden – der Beginn der Neuzeit für die dänische Handelsschifffahrt. Mit Segelschiffen, ebenfalls auf hiesigen Werften gebaut, war Marstals Name schon im 19. Jh. auf allen Weltmeeren ein Begriff: ›Marstal-Schoner‹. Weil noch viele Oldtimer dieser robusten und äußerst seetüchtigen Dreimast-Gaffelschoner existieren, sieht man regelmäßig den ein oder anderen davon in Marstals Hafen, durch den immer ein Hauch maritimer Nostalgie weht.

Ikonen dänischer Freizeitkultur


Am Hafen entlang ist man mit dem Rad in wenigen Minuten an Ærøs besten Stränden auf Eriks Hale, der zergliederten Landzunge, mit der sich die Insel in jenen Sund drängt, der sie von der Nachbarinsel Langeland trennt. Die kleinen bunten Badehütten, die vor vielen Jahrzenten ohne Baugenehmigung entstanden und mit unaufgeregtem dänischem Pragmatismus legalisiert wurden, gelten wie ihre Pendants auf Urehoved bei Ærøskøbing inzwischen als ein Markenzeichen dänischer Freizeitkultur und als Wahrzeichen der Insel allemal ‒ die meisten sind seit Generationen in Familienbesitz.


So romantisch, pittoresk und liebenswert beide Städte sind, darf man Ærø aber nicht darauf reduzieren. Zur längsten Radtour lockt uns der Leuchtturm Skjoldnæs Fyr, der seit den 1880er Jahren ganz im Norden auf der Landzunge Skjoldnæs leuchtet. Nach 27 Kilometern im Sattel sind es glücklicherweise nur 57 Stufen zur schmalen Galerie hinauf, die sich um seine Laterne zieht. Die Aussicht auf dänische und deutsche Küsten und Inseln imponiert während ein Blick in die unmittelbare Nachbarschaft offenbart, dass Skjoldnæs Fyr mitten im Gelände des Ærø Golf Klub steht. Der 18-Loch-Platz ist über rekordverdächtige 300° meerumspült.

Geschichte seit der Wikingerzeit

Entlang der, wie überall auf Ærø, hervorragend ausgeschilderten Radwege bis in den Inselnorden wechseln sich Kultur- und Naturhighlights ab. Geschichte seit der Wikingerzeit wird an der Søby Voldanlæg mit Resten von Wallanlagen hoch im Gelände greifbar ‒ im 12. Jahrhundert, als sie angelegt wurden, reichte von der Westküste her noch eine schiffbare Bucht bis vor die Burg. Neben die setzte Ende des 16. Jh. ein Provinzfürst das bescheidenes Gut Søbygaard. Das ist heute Teil eines Ausstellungszentrum für Kunst und Kulturgeschichte, wird jeden Sommer Schauplatz einer populären Konzertreihe mit Klassik und neuer Musik und in den restaurierten Wirtschaftsgebäuden ist ein Besuchszentrum für den noch jungen UNESCO Global Geopark ›Das Südfünische Inselmeer‹ eingerichtet. Eines seiner Naturhighlights liegt nur einen kleinen Abstecher vom Hauptradweg Richtung Küste: Vorderup Klint, eine über Jahrtausende modellierte Landschaftstreppe 33 Meter vom Meer hinauf. Es gibt sicher höhere und spektakulärere Klippenküsten auf der Welt, aber für Geologen ist dies ein Kleinod und in Dänemark einzigartig. 


Im Inselinneren zeigen derweil drei mittelalterliche Landkirchen ihre Schätze, allen voran Bregninge Kirke seinen fast 500 Jahre alten Flügelaltar, eine Arbeit des Lübecker Meisterschnitzers Claus Berg, und mindestens so alte Fresken. Dem Narrengesicht ist im wahrsten Sinne des Wortes über die Jahrhunderte der Mund offenen stehen geblieben. Warum? Durch den Mund führte in katholischer Zeit ein Seil zu einer Glocke auf dem Dach, damit sie in entscheidenden Augenblicken der Liturgie auf den Punkt geläutet werden konnte.

Mögen Koalas Kraut?


Ein auf dieser kleinen Insel unerwartetes Gourmeterlebnis gönnen wir uns am letzten Inseltag am Hafen von Ærøskøbing im Kraut og Koala. Welch treffender Name für das Minirestaurant, kaum größer als eine Imbisstube, in der ein Deutscher kocht und seine australische Partnerin den Service macht. Mit Glück haben wir einen der begehrten aber ganz unprätentiös mit einer grünkarierten Biergartentischdecke eingedeckten Tische ergattert und können so das vom nahen Meer geprägte fünf Gänge Menü genießen. Das beginnt mit gegrillten Austern und endet mit einem Dessert-Traum aus einem Sorbet auf einem leichten Küchlein, garniert mit frischen Inselfrüchten. Das ist echte, unkonventionelle dänische Hygge, wie wir sie lieben!


Ærø Infos

Touristeninformation Ærø
Region Fünen inklusive Ærø
Konzerte auf Søbygaard

An- und rundreisen
Ærø ist bequem und preiswert zu erreichen. 2 Reedereien bedienen 4 Routen (50‒75 Min.) insgesamt bis zu 30-mal am Tag in beide Richtungen. Ideal bei Anreise aus Deutschland sind Fahrten ab Fynshav, ca. 45 vom Autobahngrenzübergang Flensburg:  Ærøfærgerne ab Svendborg, Faaborg und Fynshav; ÆrøXpressen ab Rudkøbing. Anlaufhäfen auf Ærø sind Ærøskøbing, Marstal und Søby.
Auf Ærø sind Linienbusse, die mehrmals täglich die Inselorte miteinander verbinden, kostenlos und nehmen, solange Platz verfügbar ist, sogar bis zu drei normale Fahrräder pro Bus mit, aber keine e-Bikes!

Übernachten
Ferienhäuser auf Ærø: Das Portal (telefonisch in D auch kostenlos über 0800 358 75 28) zeigt Häuser mehrerer Anbieter im Onlinekatalog auf Ærø viele von Feriepartner und Ærø Feriehusudlejning.
Hotel Ærøhus: in Ærøskøbing ‒ romantisch, nostalgisch
Andelen Guesthouse: in Ærøskøbing, Pension unter einem Dach mit dem Inselkino, Gäste bekommen Freikarten.
Marstal Camping:, strandnah neben den Badehütten auf Eriks Hale

Heiraten
Vielsesteam:
Das amtliche Team auf Instagramm mit Link zum Strandesamt
Danish Island Weddings: Die professionellen Hochzeitsplaner
Familieretshuset: Behörde zur Prüfung der Unterlagen.

Ostern 2024 bekam Ærø als Teil des Südfünischen Inselmeers den Ritterschlag. Die in Eiszeiten entstandene und über Jahrtausende durch dramatische Landsenkungen und Anstiege des Meeresspiegels modellierte Zwitterlandschaft aus Land und Meer wurde zum UNESCO Global Geopark ›Det Sydfyske Øhav‹ geadelt.
Dazu gibt’s eine interaktive Karte des gesamten Geoparks mit Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Übernachtungsmöglichkeiten von kostenlos bis luxuriös und natürlich vielen Aktivitäten von Wander- und Reitwegen bis Kajakverleiher.

Über den Autor

NORDIS Redaktion

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