Sie segelte dreimal von Schweden nach China und zurück, sank, ruhte knapp 250 Jahre auf dem Meeresgrund, bis sie schließlich wiederentdeckt und originalgetreu nachgebaut wurde. Erneut segelte sie über die Weltmeere. Heute liegt sie im Göteborger Hafen und kann von interessierten Besuchern erkundet werden. Es ist das dritte Leben der „Götheborg“, einem Ostindienfahrer, dessen Geschichte vor 280 Jahren beginnt.
Das erste Leben der „Götheborg“ endet so spektakulär wie traurig. Seinen Anfang nimmt es im Jahr 1738 in Stockholm. Hier wird der Dreimaster im Auftrag der Schwedischen Ostindienkompanie gebaut und zu Wasser gelassen. Der Handel mit China blüht in dieser Zeit und verspricht große Reichtümer. Seide, Porzellan und Gewürze sind die Trendprodukte dieser Zeit.
60 Meter lang ist das Segelschiff, knapp über 10 Meter breit. 30 Kanonen finden auf dem Kanonendeck Platz. Denn auch wenn die „Götheborg“ ein Handelsschiff ist, muss sie sich doch gegen Piraten und andere Angreifer wehren können. Von einer 144 Mann starken Besatzung wird das Schiff von Schweden aus um das Kap der Guten Hoffnung, über Indonesien bis nach China gesteuert. Drei solche Fahrten nimmt der Ostindienfahrer auf sich. Die dritte steht jedoch unter keinem guten Stern.
Die vorerst letzte Fahrt der „Götheborg“
30 Monate ist die „Götheborg“ bei dieser letzten unterwegs. Immer wieder kommt es zu Verspätungen. So verpasst die Besatzung in Indonesien den Monsun, der sie nach China bringen würde, und muss ein halbes Jahr warten, bis die Winde wieder gut stehen. Dann, nach langen zweieinhalb Jahren, erblicken die Männer an Bord Ende des Sommers 1745 endlich wieder schwedisches Land. Es sind nur noch wenige hundert Meter bis zum Hafen in Göteborg, als das vollbeladene Schiff auf Grund läuft und sinkt. Das Meer ist nicht tief an dieser Stelle, sodass die meisten Waren geborgen werden können und das Wrack noch über Jahre hinweg aus dem Wasser schaut.
Bis heute ist nicht geklärt, wie es zu diesem Unglück kommen konnte. Es war ein erfahrener Lotse an Bord, der die Untiefen kannte, und das Wetter war ideal. Versicherungsbetrug vielleicht? Oder ein „Totwasser“, ein hydrografisches Phänomen, das beim Aufeinandertreffen von Süß- und Salzwasser entstehen kann, war verantwortlich. Man weiß es nicht.
Klar ist nur, dass dadurch das erste Leben der „Götheborg“ endet. Es folgt ein 240 Jahre langer Dornröschenschlaf auf dem Meeresgrund. Wachgeküsst wird sie 1984, als fünf Taucher Porzellan auf dem Grund entdecken. Nach und nach werden Stücke und vor allem Wrackteile geborgen. Und mit jedem Fund wächst eine Idee: Der Ostindienfahrer soll originalgetreu nachgebaut werden – mit den Materialien und Werkzeugen, die man im 18. Jahrhundert zur Verfügung hatte.
Der Nachbau – originalgetreu und modern zugleich
Dazu muss Wissen, das im Lauf der vergangenen Jahrhunderte verloren gegangen ist, wieder neu erworben werden. Alte Bücher und Skizzen werden durchstöbert, das Wrack eingehend untersucht. Eine besondere Herausforderung ist, einerseits möglichst originalgetreu zu bauen, andererseits moderne Sicherheitsbestimmungen zu berücksichtigen. Ohne Funk, einen Motor für Notsituationen und modernen Brandschutz darf der Nachbau nicht segeln.
Unzählige helfende Hände, abertausende Arbeitsstunden und das Geld vieler Sponsoren sind nötig. Dann ist es so weit: Im Jahr 2004 wird das Schiff von seiner Taufpatin, Königin Silvia, in einer feierlichen Zeremonie auf seinen alten, neuen Namen „Götheborg“ getauft. Ein Jahr später findet das erste Probesegeln statt.
Im gleichen Jahr dann die große Fahrt: Wie das Originalschiff soll auch die neue „Götheborg“ von Schweden nach China und zurück segeln. Für Schweden ist der Dreimaster eine werbewirksame Plattform. In allen Häfen entlang der Strecke wird das Segelschiff mit großem Aufgebot empfangen und gefeiert. Die Chinareise ist der Höhepunkt im zweiten Leben der „Götheborg“.
In den Jahren danach folgen weitere Fahrten durch die Ostsee, nach Norwegen, Holland und auch nach Deutschland. 2010 nimmt das Schiff an der Sail Bremerhaven teil. Sogar der Sprung auf die Leinwand ist möglich: Im Dokumentarfilm über James Cook verkörpert die „Götheborg“ dessen legendäres Schiff „Endeavour“.
Einfach zu teuer: Das zweite Leben der „Götheborg“ endet.
Aber die Fahrten und die Instandhaltung kosten Geld, viel Geld. Anders als im 18. Jahrhundert ist ein solches Segelschiff heutzutage nicht mehr rentabel.
Ein letztes Mal segelt die „Götheborg“ im Hafen ein und macht am Kai fest. So endet ihr zweites Leben.
Die „Götheborg“ steht kurzzeitig zum Verkauf. Aber Ende des Jahres 2016 kommt der Bescheid, dass sie in ihrem Heimathafen Göteborg bleiben darf. Als schwimmende Touristenattraktion.
So beginnt das dritte Leben. Das ist zwar nicht ganz so aufregend wie die ersten beiden. Aber im Alter darf man es ja auch einmal ruhiger angehen lassen. Nun liegt der wunderschöne und imposante Dreimaster also in Göteborg am Pier 4 und steht Besuchern offen. Auf und unter Deck kann man der Geschichte des Ostindienfahrers nachspüren. Und sich beeindrucken lassen von der Kunst der Schiffsbauer im 18. Jahrhundert sowie derer, die vor zwanzig Jahren dieses Kunstwerk neu entstehen ließen.
Mehr über das Schiff, Eintrittspreise und Öffnungszeiten findest du auf www.soic.se.
Auf der Baltic Sea Tour 2008 segelte der Autor Johannes Möhler für einige Wochen auf der „Götheborg“ mit. Seine Eindrücke dieses einmaligen Törns kannst du hier nachlesen: https://elchkuss.de/ostindienfahrer-goetheborg/
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