Entdeckungen Finnland

Von Insel zu Insel zu Insel

Das finnische Turku und die Schärenwelt entdecken

Wie winzige Puzzleteile liegen die 25.000 Inseln vor der Küste Südwestfinnlands verteilt. So zerstreut sie auch sind, bilden sie alle ein perfektes Ganzes: das Archipel von Turku.

Ein Artikel aus unserem Nordis-Magazin 3/18 Text & Fotos: © Christine Flechtner

Radtour Naantali nach Teersalo

An Finnlands Westküste befindet sich eines der schönsten Touristenziele des Landes. Die Eiszeit hat mit ganzer Wucht in Tausenden von Jahren ein Insel-Archipel geformt. Das Eis hat die Felsen zerkratzt, sie in die Tiefe gedrückt und glatt geschliffen. So entstand eine einzigartige Landschaft, die Besucher vor allem in den Sommermonaten magisch anzieht. Sie erkunden die besondere Gegend auf einem Netzwerk aus verschiedenen, durch Fähren miteinander verbundenen Wegen. Zu den rund 190 Kilometern befestigter Straße kommen etwa 30 bis 50 Kilometer zusätzlich für den Übergang von einer Insel zur anderen hinzu, abhängig von der gewählten Route.

Ausgangspunkt für eine Tour ist Turku. Der Aurajoki-Fluss, an dessen Ostseemündung Finnlands älteste Stadt schon im 13. Jahrhundert zu wachsen begann, ist Herz und Seele Turkus. 800 Jahre urbane Geschichte lassen sich somit nicht nur zu Fuß, sondern auch vom Boot aus erkunden. Vorbei an Marktplatz, Burg und Kathedrale – typische Merkmale einer mittelalterlichen Stadt – tauchen wir ein in längst vergangene Zeiten und können uns bildlich vorstellen, wie die Menschen hier vor 400, 500 oder 600 Jahren gelebt haben. Heute ist Turku eine lebendige moderne Stadt mit rund 188.000 Einwohnern. Hier halten die großen Schiffe und Fähren, die aus dem schwedischen Stockholm kommen, und hierher fährt auch der Zug aus Helsinki. 2011 war Turku übrigens eine der Kulturhauptstädte Europas.

Radtour Naantali nach Teersalo

Pizza am Meer

Der nächste Tag begrüßt uns in Naantali mit viel Sonne und leichtem Wind. Die kleine Stadt unweit von Turku gehört zu den ältesten Städten Finnlands. Heute leben knapp 20.000 Menschen hier. Dank seiner malerischen Holz-Altstadt ist der Ort ein beliebtes Touristenziel. Gemeinsam mit Tarja Rautiainen vom Tourismusbüro in Naantali machen wir uns per Fahrrad auf den Weg ins 32 Kilometer entfernte Teersalo. Durch hügelige Landschaften und über Brücken, die die einzelnen Inseln miteinander verbinden, führt der Weg in Richtung Westen. Wir treten fest in die Pedale. Ziel ist das Restaurant Old Smuggler in Teersalo, das vor allem im Sommer nicht nur als Restaurant und Café, sondern auch als Ort für Live-Konzerte dient. Die beiden Brüder Henri Värsänen und Lauri Haukka haben einen ganz besonderen Ausflugs- und Aufenthaltsort geschaffen, an dem sie obendrein eine der besten Pizzen der Umgebung anbieten. »Ganz neu ist das Sauna-Boot, das Gäste nutzen können«, erklärt Henri Värsänen, »und außerdem haben wir im vergangenen Jahr einige kleine Häuser am Wasser gebaut, die wir vermieten«. Gestärkt geht es per Drahtesel zurück nach Naantali, der Gegenwind bläst uns die Seeluft ins Gesicht, und wir erreichen die kleine historische Stadt gegen Nachmittag.

Per Kajak die Landschaft erkunden

Heute gibt es einen wahren Perspektivwechsel für uns, denn es geht vom Land hinaus aufs Wasser: Unser Guide Thomas Söderback vom Kajaktouren-Anbieter »aavameri« erwartet uns bereits. Im Gepäck hat er Seekajaks, Paddel, Rettungswesten und jede Menge Tipps für uns. Schließlich ist ein Tag im Kajak etwas anderes als ein gemütlicher Spaziergang. Und so gibt es dann auch gleich auf dem Rasen nahe des Ufers eine kleine Einweisung mit Trockenübung. Wie steigt man hinein? Wie wieder hinaus? Wie befestigt man den sogenannten Skirt, der als Wasserschutz dient, an der Öffnung des Bootes? Die Luft knistert vor freudiger Nervosität, und die Müdigkeit ist plötzlich wie weggeblasen, als die bunten Kajaks zum Ufer getragen werden. Schließlich ist eine solche Kajaktour in Finnland für uns alle eine Premiere.

Nach ein paar Probepaddelzügen geht es los: Vorbei am Ufer, an dem wir einen Tag zuvor noch geradelt sind und an der Mumin-World, die sich auf der Insel Kailo befindet, und dann quasi »raus aufs offene Meer«.

Das leise Plätschern, wenn das Paddel ins Wasser eintaucht, der kleine Ruck, mit dem sich das gelbe Seekajak im kühlen Nass fortbewegt. Der leichte Wind streichelt die Haut und der Blick schweift umher. Wie rote Tupfer wirken die kleinen Holzhäuser am Ufer zwischen dem Grau der Felsen und dem satten Grün der Bäume. Die Kirche von Naantali wird kleiner und verschwindet schließlich ganz aus unserem Blickfeld. Und dann sind da nur noch das Wasser und wir, die Wellen und der Himmel darüber. 

Seekajak-Tour

Die Kajaks gleiten gemütlich dahin. Ein kleines Fleckchen Blau zeigt sich am Himmel, und die Sonne sagt »Hallo«. Rund eineinhalb Stunden paddeln wir so über das Wasser. Eins mit der Natur sein, dahin gleiten auf den grün-grauen Wellen. Im Vordergrund eine kleine felsige Insel, auf der Kormorane, Möwen und Gänse pausieren.

Und dann haben wir die unbewohnte Insel erreicht, auf der wir unser gemütliches Picknick genießen. Ryövari ist ihr Name, und Thomas erklärt: »Wenn ich Touristen auf eine Kajaktour in Finnland mitnehme, ist diese Insel hier ein beliebtes Ziel von mir«. Während er mit uns redet, kocht der 28-Jährige auf einem Gaskocher Wasser für unseren Kaffee und Tee.

Gestärkt durch Sandwiches und Obst geht es langsam wieder aufs Wasser. Das Paddeln scheint bei den meisten von uns mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen zu sein, und die Seekajaks gleiten nun gegen den Wind leicht dahin. Jeder hängt seinen Gedanken nach, während die Paddel – einem Uhrwerk gleich – bis zum Ziel in Bewegung sind.

Der Archipel ist für Kajak- oder Kanutouren perfekt geeignet. So ist Thomas Söderbeck nicht nur auf Tagestouren unterwegs, sondern er bietet für mindestens zwei oder mehr Personen auch mehrtägige Touren an. »Dann ist aber das Zelt mit dabei«, fügt er hinzu. 

Zu Besuch bei der Reinkarnation Dalís 

Surreal – mit diesem Wort lässt sich die Kunst von Salvador Dalí am besten beschreiben. Surreal erscheint auch die überdimensionale Ameise, die die Besucher am Hauseingang in der kleinen Fischerstadt Pargas willkommen heißt. Es ist die Welt von Ted Wallin, der seinen Traum von einer Gallerie mit der »Art Bank« verwirklicht hat. Skulpturen, Möbel, Malereien und andere Kunstwerke von Salvador Dalí sind hier zu finden – alle auf Auktionen in verschiedenen Ländern erstanden. Das Besondere: Es handelt sich dabei um die einzige private Sammlung von Dalí-Werken in ganz Skandinavien.

Art Bank

Ich treffe Ted Wallin leider nicht persönlich, dafür jedoch seine Schwester Peggy. Sie plaudert aus dem Nähkästchen: »Mein Bruder hat eine besondere Verbindung zu Dalí. Er mag die exzentrische Art des Künstlers, denn er ist selbst exzentrisch. Zudem hat Dalí die Menschen in Erstaunen versetzt, und Ted tut das ebenso«. Sein Interesse am weltberühmten Künstler, sagt sie, habe 1989 begonnen, als Dalí starb. »Ehrlich gesagt, glaubt Ted, dass er die Reinkarnation Dalís ist – und viele Besucher der Art Bank, die meinen Bruder erleben, glauben das auch«, sagt sie und lacht. 

Nach etwa einer Stunde verabschiede ich mich. Gern hätte ich mir selbst ein Bild von dem 54-jährigen Finnen gemacht. So nehme mir vor, noch einmal zur Art Bank zurückzukehren – um dann möglicherweise der Wiedergeburt des katalanischen Künstlers persönlich gegenüberzustehen.

Auf Pilgerspuren

Das Städtchen Pargas, das auf Finnisch Parainen heißt und sich rund 23 Kilometer entfernt von Turku befindet, hat aber noch mehr zu bieten als die Art Bank. Hier warte ich gemeinsam mit Matilda Åberg an einem ungewöhnlichen Ort auf meine Verabredung. Vor uns tut sich ein Abgrund auf, ein tiefes Loch, das mehrere Kilometer weit in die Landschaft reicht. Es handelt sich dabei um den größten Kalksteinbruch Finnlands, in dem um 1700 erstmals Kalkstein abgebaut wurde. »Hier wurde auch ein spezielles Mineral gefunden«, erklärt die junge Frau, die in Pargas für die Entwicklung des Tourismus zuständig ist. »Das grün schimmernde Mineral wurde 1814 nach dem Typfundort Pargasit benannt«, fügt sie hinzu.

Eine Viertelstunde später steigt unsere Verabredung von seinem Fahrrad und kommt auf uns zu. Der Mann mit dem grün-karierten Hemd, der Weste und den vom Wind zerzausten Haaren ist James Simpson. Seit fast zwei Jahren arbeitet er an einem internationalen Projekt: der Realisierung des ersten nordischen Pilger-Wanderweges, welcher über das Meer von Finnland nach Schweden führt. 

James Simpson Projektmanager St-Olav Pilgerweg

Das Projekt startete im Jahr 2016 und wird vom Central Baltic Programme finanziert. »Wir realisieren den St. Olav Waterway, eine Pilgerroute von Turku quer durch das finnische Archipel und die Ålandinseln nach Hudiksvall in Schweden, wo er an den bereits existierenden St. Olavsleden anknüpft«, erklärt der aus Schottland stammende Simpson.

Der Olavsweg folgt dem Weg, den König Olav Haraldson genommen hat, als er im Sommer 1030 von Novgorod in Russland nach Norwegen zurückkehrte, um Norwegen zu christianisieren und um den norwegischen Thron zurückzuerobern.

Wanderer können auf dem bestehenden Olavsleden bis zum Nidarosdom im norwegischen Trondheim weiterlaufen. Diese mächtige Kathedrale ist über Olavs Grab errichtet worden. Ein Jahr nach seinem Tod wurde der König von der Kirche heiliggesprochen. 

St-Olavs Pilgerweg Old Town Malmen

Der bereits bestehende Pilgerweg in Schweden und Norwegen ist 560 Kilometer lang, hinzu kommt nun der St. Olavs Waterway mit 625 Kilometern Länge. »Also reden wir hier bei diesem gesamten Pilgerweg von einer Länge von insgesamt 1.185 Kilometern«, sagt er. 

Die Erstellung der Route von Turku zu den Ålandinseln gestaltete sich allerdings schwierig: »Es ist nicht so einfach herauszufinden, wo Olav tatsächlich gelaufen ist, denn der heutige Küstenstrich stand vor 1.000 Jahren unter Wasser«, sagt Simpson. Das Eis der letzten Eiszeit habe das Land unter den Wasserspiegel gedrückt, und nun hebt es sich wieder – um einen Zentimeter in zehn Jahren. Die Inseln werden also größer. Doch mittlerweile ist eine Route gefunden, Markierungen sind angebracht. 2019 soll die Route offiziell eröffnet werden. »Wer allerdings jetzt schon auf Olavs Wegen wandern möchte, ist mehr als willkommen. Sie können den besonderen Pilgerweg mit seinen besonderen Ausblicken als Erste erleben«, sagt der Projektleiter abschließend.

Infokasten:

Allgemeine Informationen

Zu Turku und dem Archipelago sind Informationen im Internet unter www.visitarchipelago.fi und www.visitturku.fi erhältlich. Die Tourist-Information befindet sich in der Aurakatu 2 in Turku, Tel. +358-226 27 444, info@visitturku.fi

Anreise

Per Flugzeug nach Stockholm oder Helsinki, per Zug oder Bus von Helsinki, www.vr.fi und www.onnibus.fi oder direkt nach Turku mit Finnair Helsinki – Mariehamn – Turku, www.finnair.com oder per Fähre, zum Beispiel mit der Viking Line, www.vikingline.se

Übernachten

Naantali Camping: Die Campinganlage befindet sich direkt am Meer nur einen halben Kilometer vom belebten Zentrum Naantalis entfernt. Es gibt 32 Hütten, 55 Stellplätze für Wohnwagen und Wohnmobile und viele Zeltplätze, außerdem ein Café mit Terrasse, in dem auch Lebensmittel, Postkarten und Souvenirs erhältlich sind. Mit Sauna, Spielplatz, Billardgolf und überdachtem Grillplatz. www.visitnaantalifinland.com/camping

Naantali Spa Hotel: luxuriöse Unterkunft, verwöhnende Wellness und kulinarische Köstlichkeiten in thematisch orientierten Restaurants. www.naantalispa.fi

Essen & Trinken

Restaurant und Café Snickari in der Altstadt von Naantali: Das neue Restaurant bietet moderne finnische Küche; die meisten Zutaten kommen direkt aus der Region. www.snickari.fi

Kamu Restaurant in Pargas: kulinarische Köstlichkeiten aus der Region. www.kamurestaurant.fi

Old Smuggler am Hafen von Teersalo: uriges Restaurant mit der besten Pizza in der Umgebung, im Sommer mit Live-Rock-Musik und gemütlichem Platz direkt am Wasser. www.oldsmuggler.fi

Aktivitäten

Muminwelt in Naantali: In der Muminwelt auf der Insel Kailo treffen kleine und große Besucher die Muminfamilie und ihre Freunde. www.muumimaailma.fi

Seekajak-Touren in den Schären: Thomas Söderback nimmt Wassersportbegeisterte mit auf Touren von vier Stunden bis zu mehreren Tagen. www.aavameri.fi

Fahrradtouren: Von Naantali aus lässt sich das Archipel auch gut per Drahtesel erkunden. www.visitnaantali.com

Art Bank: Private Sammlung von Kunstwerken von Salvador Dalí, Kauppiaskatu 24 Köpmansgatan in Pargas, www.artbank.fi, gallery@artbank.fi

Geführte Reise 

Wandern und mehr – Finnlands Schären & Åland-Inseln: 12-tägige geführte Wanderreise, ab 2.698 Euro, buchbar bei www.wikinger-reisen.de.

Über den Autor

NORDIS Redaktion

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